Eilig schafft man Alain Wolper (Fabrici Luchini), den Generaldirektor eines großen französischen Autoherstellers, in ein Krankenhaus, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hat. Hier macht seine physische Genesung leidliche Fortschritte, doch die Sprechfähigkeit des ehemals wortgewandten Managers ist dahin. Wenn Alain versucht zu sprechen, kommt nur ein unverständlicher Wortsalat aus seinem Mund. Manche Wörter spricht er rückwärts oder ersetzt sie durch ähnlich klingende. Dann wiederum begrüßt er die Anwesenden in einem Raum mit einem fröhlichen „Auf Wiedersehen!“. Fremde machen sich lustig über ihn, dann verliert er seinen Job. Alains einzige Hoffnung ist jetzt eine sympathische Sprachtherapeutin (Leila Bekhti) und seine Tochter (Rebecca Marder), die er jahrelang vernachlässigt hat.
Herve Mimrans Film „DAS ZWEITE LEBEN DES MONSIEUR ALAIN“ basiert auf den Memoiren von Christian Streiff, des ehemaligen CEO von Airbus und PSA Peugeot Citroen, der einen ähnlichen Schlaganfall erlebte wie die Filmfigur Alain Wolper. Dessen Aphasie eröffnet Raum für reichlich komische Szenen, vor allem für einen Schauspieler wie Luchini, der in Frankreich für seine Bühnenauftritte berühmt ist, wo er wortgewaltig klassische Texte und Gedichte laut rezitiert. Hier wirbelt er die Phoneme wild durcheinander und verschwurbelt seine Sätze. Häufig spricht er Wörter rückwärts im Verlan-Slang aus, einer seit den 1980er Jahren in der französischen Banlieue beliebten Jugendsprache. Und das alles, ohne eine Miene zu verziehen.
Andererseits ist das Thema Aphasie sensibel, da immer die Gefahr besteht, eine ernsthafte Behinderung auf den Arm zu nehmen. Das Drehbuch und Luchinis großartiges schauspielerisches Können meistern diesen Spagat mit Bravour. Alain ist eine schwierige Figur, da er in ein und demselben Film widerwärtig ist und doch die Empathie der Zuschauer gewinnen muss.
Neben cleveren Wortspielen bedient sich Mimran freilich einer recht formelhaften Erzählweise, bei der der Held zunächst alles verliert, um schließlich seinen Weg zur persönlichen Erlösung zu finden, vor allem in den Augen seiner Tochter, von der er sich bedingt durch seinen Beruf entfremdet hatte.
Das gilt ebenfalls für eine Nebenhandlung, die die Suche der Sprachtherapeutin nach ihrer echten Mutter erzählt; sie wurde adoptiert, sucht und findet schließlich ihre echte Mutter. Das macht DAS ZWEITE LEBEN DES MONSIEUR ALAIN nicht zu einem schlechten Film, bewirkt aber, dass er vor allem im letzten Drittel etwas an Intensität verliert und zu einem gut Teil Sentimentalitäten erliegt, die der erste Teil vermeidet.
Unter dem Strich ist DAS ZWEITE LEBEN DES MONSIEUR ALAIN jedoch eine ausgezeichnete, sehr liebenswürdige und dramatische Komödie über die Rückkehr eines Aphasie-Patienten in den normalen Alltag, die in Bezug auf das „La joie de vivre“ schwer zu schlagen sein dürfte.
Fotos Copyright: CAROLE BETHUEL © ALBERTINE PRODUCTIONS – GAUMONT