Das Flüstern der Felder

Die Filmemacher DK und Hugh Welchman bedienen sich in ihrem Film DAS FLÜSTERN DER FELDER erneut der handgemalten Animationstechnik, die viele Zuschauer ihres Debüts „Loving Vincent“ (2017) begeisterte. Doch das Ergebnis ist hier eher zwiespältig.

Wie aufwändig der kreative Schaffensprozess ist, der hinter DAS FLÜSTERN DER FELDER steckt, wird erst nach dem Ende des Films klar. Während der Abspann läuft, zeigen die Regisseure Clips von Malern, die sich das Filmmaterial ansehen und dann die Bilder in Öl auf Leinwand reproduzieren. Etwa 40.000 Ölgemälde – was etwa sechs Bildern pro Sekunde entspricht – wurden verwendet, eine erstaunliche, fast absurd arbeitsintensive Leistung. 

Der Film basiert auf dem Roman „Die Bauern“ des Literaturnobelpreisträgers Wladyslaw Reymont, der das Leben der Bauern in einem kleinen polnischen Dorf des 19. Jahrhunderts subtil porträtiert. Das Drehbuch strafft den 900-seitigen Wälzer und konzentriert sich auf die Figur der schönen Jagna. Die junge Frau ist eine willensstarke, freigeistige Künstlerin mit einem großen Herz für Tiere und nicht bereit, sich den starren sozialen Normen der tiefreligiösen, engstirnigen Dorfgemeinschaft zu fügen. Vor allem will sie nicht sesshaft werden und heiraten.

Zwischen Tagträumen und patriarchischer Tradition: Jagna (Kamila Urzedowska) sehnt sich nach der Welt jenseits ihres kleinen Dorfes.
© PLAION PICTURES_Kateryna Ocheredko

Die Frauen im Dorf missbilligen das, tratschen über sie. Für die Männer im Dorf ist Jagna dagegen das Objekt der Begierde. Auch für Antek, mit dem sie bald ein leidenschaftliches Verhältnis hat, obwohl er mit Hanka verheiratet ist. Eine schmerzhafte Liaison für Jagna, die sich noch verschlimmert, als sie von ihrer Mutter gedrängt wird, Anteks mürrischen, frisch verwitweten Vater Maciej zu heiraten. Er ist der reichste Bauer der Region, bietet für die Ehe mit Jagna sechs Hektar seines schönsten Landes, weigert sich aber, einen Teil seines großen Besitzes an seine Kinder zu übergeben. Antek, der auf dem Hof seines Schwiegervaters für einen Hungerlohn schuftet, verbittert dies. 

Jagna (Kamila Urzedowska) ist wunderschön, klug und weiß was sie „nicht“ will – eine gefährliche Mischung für das Geschwätz der einfachen Leute.
© PLAION PICTURES_Breakthrufilm

Das Unheil, das aus der schwelenden Menage à trois zwischen Jagna, Maciej und Antek nach der Hochzeit erwächst, lässt nicht lange auf sich warten. Mit dem Sommer kommt zudem eine entsetzliche Dürre ins Land, die zu einer gewaltigen Missernte führt. Schon bald grübeln die verbitterten, bigotten Frauen im Dorf, warum der allmächtige Gott ausgerechnet ihr Dorf strafen will…

Jagna (Kamila Urzedowska) ist wunderschön, klug und weiß was sie „nicht“ will – eine gefährliche Mischung für das Geschwätz der einfachen Leute.
© PLAION PICTURES_Breakthrufilm

Wie seine literarische Vorlage gliedert sich DAS FLÜSTERN DER FELDER in vier Jahreszeiten. Am besten funktioniert der opulente visuelle Stil bei der Darstellung von Landschaften, bei der sich Farben und Strich je nach Klima und Jahreszeit verändern. Streckenweise wirken die Landschaftsbilder im Hintergrund wie eine Hommage an die großen Werke des Realismus. Zum Beispiel eine Szene, die die Bäuerinnen bei der Arbeit auf dem Feld zeigt, erinnert an „Die Ährenleserinnen“ von Jean-François Millet, der in seinen Gemälden, die mühseligen Arbeit der Bauern darstellte. Aber je weiter die melodramatische Geschichte voranschreitet, desto repetitiver werden die Bilder und verlieren ihre emotionalisierende Wirkung.

Besonders bei den Nahaufnahmen, von denen es viele gibt, erweist sich die in Öl gemalte Animation als mangelhaft. Verschmierte Pinselstriche lassen die Mimik der Figuren abstumpfen. In diesen Momenten scheint die Animationstechnik eher gegen die Emotionen des Films zu arbeiten als für sie. Zudem sind die Charaktere holzschnittartig, entweder gut oder böse und zeigen keine Entwicklung.

Trotz solcher Mängel ist DAS FLÜSTERN DER FELDER unter dem Strich ein durchaus sehenswerter Film. Denn es gibt auch einige sehr schöne Momente. Etwa Jagnas Kampf gegen die starren patriarchalischen Strukturen und die schäbigen Intrigen sind faszinierend und spannend zu sehen. Ebenso die wachsende Empörung der Dorfgemeinschaft, als der wohlhabende Adel versucht, ihr Land zu annektieren.

Titelbild: Die schönste Braut des Dorfes: Wie im Nebel lässt Jagna (Kamila Urzedowska) ihr Hochzeitszeremoniell über sich ergehen. © PLAION PICTURES_Breakthrufilm

Hans Kaltwasser
Hans Kaltwasser
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