Die Abkürzung G3 hat eine Vielzahl verschiedener Bedeutungen. Unter anderem bezeichnet sie ein Schnellfeuergewehr des deutschen Waffenherstellers Heckler&Koch, die Gründungsmitglieder der Europäischen Union Frankreich, Italien und Deutschland, eine beliebte Gaming-Laptops-Serie von Dell und ein Fax-Kodierungsformat. Shredding Fans, also Liebhaber extrem schnell gespielter Rockgitarren, verbinden mit dem Kürzel indessen eine populäre Rockkonzertreihe, bei der drei Supergitarristen mit ihren eigenen Bands hintereinander auftraten, bevor sie sich im Finale zu einem gemeinsamen Jam trafen.
Das Konzept stammt vom legendären US-Gitarristen Joe Satriani, 1996 feierte die Show mit Joe Satriani, Steve Vai und Eric Johnson Premiere. In den frühen 2000er-Jahren fand die G3-Veranstaltung mit verschiedenen exzellenten Gastgitarristen regelmäßig statt, darunter Robert Fripp (King Crimson), John Petrucci (Dream Theater), Steve Lukather (Toto), Michael Schenker und Kenny Wayne Shepherd. Dass das durch die Corona-Epidemie unterbrochene Konzept auch nach so vielen Jahren immer noch begeistert, machte Anfang 2024 eine Reihe von G3- Auftritten in 11 US-Städten deutlich, die allesamt binnen weniger Stunden nach der Ankündigung ausverkauft waren.
Das am 31.1.2025 erschienene Doppelalbum G3: Joe Satriani / Eric Johnson / Steve Vai „REUNION LIVE“ ist ein Mitschnitt des Auftritts der Urbesetzung am 9. und 10. Februar 2024 im Orpheum Theatre Los Angeles. Die Stimmung an diesem Abend im Orpheum war gut, wie die begeisterte Reaktion der 2000 Konzertbesucher zeigt, die die Darbietungen der Musiker stürmisch feiern. Die drei Musiker selbst präsentieren sich in Höchstform. Ihre überwiegend rein instrumentalen Kompositionen zeigen ein entwickeltes Verständnis für Harmonik und Melodie. Ihre Legato-Linien sind fließend, die pfeilschnellen Soli akkurat.
Satrianis Spiel klingt einmal mehr intensiv, aber niemals anstrengend. Beim röhrenden „Raspberry Jam Delta-V“ stellt er seine Fingerfertigkeit unter Beweis und bewegt sich mit spontaner Intensität und mühelos zwischen Funk, Rock und Prog. Der Klassiker „Surfing with the Alien“ ist ein sehr schneller und übermütiger Song, der den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt. Bei „Big Bad Moon“ greift er zum Mikrofon, um zu singen, während er bösartige Licks auf seiner Gitarre hinlegt und eine Kostprobe seines Könnens an der Mundharmonika gibt.
Steve Vais Auftritt ist laut und übermütig. Einst Gitarrenschüler von Maestro Joe Satriani, zeigt er sich ebenfalls als großer technischer Virtuose mit einer ausgeprägten Vorliebe für den Einsatz von Effektgeräten und einem gelegentlichen Hang zu schrägen Klängen. Für seine Komposition „Teeth of Hydra“, ließ er sich bei Ibanez eine dreihalsige E-Gitarre bauen, die unter anderem mit Röhren und Ethernetport bestückt ist. Der mit Latino-Fusion getränkte Titel erzeugt eine eindringliche, bedrohliche Stimmung und zeigt, dass Vai offenbar die Dinge einfach anders hört als der Rest von uns. „Little Pretty“ baut demgegenüber auf dichten Akkordstrukturen auf, die eine sich ständig verändernde harmonische Landschaft erzeugen. Für einen der vielen Höhepunkte des Abends sorgt Vai dennoch mit dem epischen Song „For The Love Of God“, den er mit einer für seine Verhältnisse einfachen sechssaitigen Gitarre spielt und der zeigt, wie gut er Geschwindigkeit und Präzision auf eine Weise verbindet, wie das nur wenige können.
Mit „Land of 1000 Dances“ wagt Eric Johnson ein kurios anmutendes Cover, das stimmlich weniger gefühl- und kraftvoll daherkommt als das lasziv-hochenergetische Original des populären Soul-Sängers Wilson Pickett. Besser gelingt das instrumental rockige „Righteous“, bei dem er sich mühelos auf seine wieselflinke Saitenarbeit konzentrieren kann. Für Blues- und Rockfans dürfte „Freeway Jam“, eine Hommage an den verstorbenen Jeff Beck, der Höhepunkt des Auftritts des Texaners gewesen sein.
Das Finale beginnt mit einer soliden Version der alten Cream-Nummer „Crossroads“, mit dem die Protagnisten dieser G3- ihren großen Helden Tribut zollen. Interessant ist, dass die verschiedenen Stile der drei Musiker auch sehr gut zusammenpassen. Johnson kann Hendrix‘ „Spanish Castle Magic“ noch einmal stimmlich untermauern, und im abschließenden „Born To Be Wild“ der ehemaligen Kultband Steppenwolf wird dem Publikum demonstriert, wie man den Klang aufheulender Motoren auf der Gitarre nachahmen kann.
Für Shredding Fans ist G3 REUNION LIVE ein absolutes Muss.
Die Deluxe-Edition bietet für jeden Künstler ein andersfarbiges Vinyl, eine einzigartige Splatter-LP für den gemeinsamen Zugaben-Jam und ein 64-seitiges Fotobuch, unterteilt in Künstler- und Jam-Kapitel. Das Album ist ebenfalls als 2CD-Digipak mit 16-seitigem Booklet Fotobuch, als 4LP-Gatefold sowie als digitaler Download erhältlich. Am 31.01.2025 weltweit erhältlich über earMUSIC