Cyprian Broodbank: Die Geburt der mediterranen Welt

In jüngster Zeit ist das Mittelmeer immer wieder Thema in den Nachrichten – meistens im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Für die einen ist das Mittelmeer ein, oftmals lebensgefährlicher, Weg in eine mutmaßlich bessere Welt, für die anderen ist es hingegen eine Grenze. In Cyprian Broodbanks Buch „Die Geburt der mediterranen Welt“ erfährt der Leser, dass das Mittelmeer schon in früheren Zeiten sowohl „Brücke“ als auch Grenze gewesen ist. Der britische Archäologieprofessor geht der Frage nach, wie die heutige Mittelmeerwelt eigentlich entstanden ist.

Dazu beginnt er nicht etwa mit den Minoern, Ägyptern oder anderen frühen Hochkulturen, sondern geht noch weiter zurück. Seine Geschichte von der Geburt der mediterranen Welt beginnt vor zwei Millionen Jahren. Nach einer Einleitung über den aktuellen Forschungsstand und die unterschiedlichen Forschungsansätze widmet er sich nicht nur einer Darstellung der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, sondern bezieht auch sehr detailreich Geologie, Klima und Biologie des Mittelmeerraumes ein. Für hunderttausende Jahre bleibt das Mittelmeer eine unüberwindbare Barriere, die den Homo Heidelbergensis in zwei Arten aufspaltet: Neandertaler und Homo Sapiens.

Erst mit dem Bau erster Einbäume und schließlich seetüchtigen Booten wird das Mittelmeer zur einer Verbindung zwischen den menschlichen Gesellschaften, einer Möglichkeit Handel und Ideenaustausch. Broodbanks Buch ist deshalb auch eine Geschichte der Seefahrt, die so elementar für den mediterranen Raum ist. Um 10.000 v.Chr. gibt es erste gezielte Seefahrten, die auf nautische Kenntnisse schließen lassen.

Beginnend vom ersten Ackerbau in der Levante 9600 v.Chr. über Rinderzüchterkulturen in der Sahara um 5000 v.Chr. (zu diesem Zeitpunkt war die Sahara grün) und der ersten Nutzung von Bronze um 2900 v.Chr. bis hin zum Aufstieg der Seevölker um das Jahr 500 v.Chr. zeichnet Broodbank mit viel erzählerischer Kraft und Kenntnisreichtum die Entwicklung menschlicher Gesellschaften im Mittelmeerraum nach – auch immer vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen. Scheinbar mühelos führt er den interessierten Leser durch die Jahrhunderte und erklärt sachkundig die unzähligen Puzzleteile, die sich zu einem Gesamtbild der „mediterranen Kultur“ zusammenfügen.

Ein solch ehrgeiziges Projekt benötigt natürlich eine Menge Papier. 952 Seiten umfasst Broodbanks „Geburt der mediterranen Welt“. Dem Leser wird also einiges an Ausdauer abverlangt. Gerade wer sich in erster Linie für die Geschichte der menschlichen (Hoch-)Kulturen interessiert, benötigt in den ersten Kapitel etwas Durchhaltevermögen und Geduld. Doch die Ausdauer lohnt sich. Das Buch ist eine anregende Reise durch die Geschichte des Mittelmeer-Raums. Stephan Petersen

Die Geburt der mediterranen Welt
Cybrian Broodbank

C.H.Beck, München 2018
952 Seiten
ISBN 978-3406713699

Standardbild
Stephan Petersen
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