Candice Night im Interview zu „Nature’s Light“ und mehr

Der Sängerin Candice Night, die mit Ritchie Blackmore verheiratet ist, haben wir anlässlich der Veröffentlichung ihres gemeinsamen Albums „Nature’s Light“ viele Fragen stellen können. Unter anderen, wie sie zu Blackmore’s Night gekommen ist. Sehr ausführlich erzählt Candice Night diese ganz spezielle Geschichte rund um das Thema Renaissance-Rock.

Interview mit Candice Night

DKB: Candice, zunächst einmal, wie sind Sie zu Blackmore’s Night gekommen? 

Candice Night: Blackmore’s Night fing mit ein paar Songs an, die Ritchie und ich eigentlich nur für uns selbst geschrieben hatten, um dem Stress und Druck in der heutigen Zeit zu entfliehen. Als Ritchie 1995 mit Rainbow im Studio war und ich seine Backing Vocals übernahm und die Texte für STRANGER IN US ALL  schrieb, da saßen wir immer am Kamin und sahen zu, wie der Schnee fiel, während die Bandmitglieder ihre Parts im Studio für das Album einspielten. Ritchie hatte eine Akustikgitarre dabei; ich saß bei ihm, sang und schrieb die Texte für Songs, die unsere eigene persönliche Reise und nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Aber als wir diese Songs mit nach Hause nahmen und sie unseren Freunden bei uns auf einer Party vorspielten, gefielen sie ihnen sehr und sie sagten uns, dass, wenn wir sie veröffentlichen würden, sie das Album kaufen würden.  Da wurde uns klar, dass wenn unsere Freunde sie mochten, sie vielleicht auch anderen gefallen würden. Das war vor fast 25 Jahren und seitdem sind wir auf dieser Reise.

DKB: Woher kommt Ihr Interesse an der Musik der Renaissance?  

CN: Bevor ich Ritchie kennenlernte, hatte ich noch nie etwas von Renaissancemusik gehört, einmal abgesehen von dem betörend schönen alten Stück „Greensleeves“, das mir beizubringen ich meinen alten Musiklehrer immer angefleht habe. Als ich später dann Ritchie begegnete, war Renaissancemusik alles, was er hörte. 1991 zog ich bei ihm in sein englisches Tudor-Haus in Connecticut ein. Ich erinnere mich noch, wie ich aus dem Fenster auf die fallenden Blätter draußen schaute, auf die Rehe auf dem Rasen, umgeben von Wäldern, und wie ich diese Musik hörte, die im ganzen Haus spielte. Da es bei mir gefunkt. Es war ein perfektes Zusammenspiel von Bild und Ton. Wie bei einem Soundtrack zur Natur. Und dadurch, dass ich diese Musik zu dem hörte, was ich da sah, wurde das Erlebnis noch auf eine ganz andere Ebene gehoben. Das war der Moment, in dem ich sie wirklich verstanden und in meiner Seele gespürt habe. Ritchie ist da eher puristisch, was den Renaissance-Stil angeht. Ich selbst liebe diesen Stil zwar, interpretiere ihn aber als eine Art Fantasy-Übersetzung mit einem Hauch von Renaissance-Themen.

DKB: Blackmore’s Night wurde 1997 gegründet, kurz bevor das Album SHADOW OF THE MOON veröffentlicht wurde. Damals glaubten viele selbsternannte Experten nicht an die kommerzielle Tragfähigkeit eines am Renaissance-Rock orientierten Projekts. Doch fast ein Vierteljahrhundert  und elf Alben später sind Sie immer noch sehr erfolgreich und populär. Wie würden Sie die letzten 25 Jahre der Band Revue passieren lassen?

CN: Das war eine ziemliche Reise und ist es auch weiterhin. Am Anfang war ich als Sängerin nicht besonders stark, mein Gesang hatte so etwas Unschuldiges an sich. Dann gingen wir auf Tournee und wir fühlten uns wohler. Auch Ritchie lernte allmählich, sich gut zu fühlen. Er kam ja aus einer reinen Rockmusikwelt. Wir bekamen mehr Erfahrung mit unserem Sound, unserer Instrumentierung und unserem Können. Alles entwickelte sich ganz natürlich, so dass jedes Album eine echte Momentaufnahme der Zeit ist, wo wir als Menschen, als Musiker, als Paar, in unserer Kreativität und in unserem Leben standen. Es ist ein Sammelsurium von Momenten, sowohl was die Musik als auch die Erinnerungen angeht. Nachdem wir unser erstes Album, SHADOW OF THE MOON, veröffentlicht hatten, gingen wir damit auf Tour und merkten, dass wir eine fetzigere Musik brauchten, um das Publikum zu fesseln und zum Mitsingen zu bringen. So entstand UNDER A VIOLENT MOON. Für das dritte Album, FIRES AT MIDNIGHT, wollte Ritchie mehr E-Gitarre einbauen, aber auch einige echte Mittelalter- und Renaissance-Instrumente. Ich fing an, Schalmei und Harfe zu spielen und das hob unsere Instrumentierung auf eine neue Ebene, die wir vorher nicht hatten. In GHOST OF A ROSE  haben wir dann eher orchestrale Klänge eingebaut. Auf unseren Tourneen sammeln wir ständig neue Inspirationen, sowohl musikalisch als auch textlich, indem wir regionale Volksmelodien oder Legenden aus den Gegenden kennenlernen, die wir bereisen. Jede dieser Erfahrungen hat uns als Menschen und Musiker weitergebracht und uns in den vergangenen 25 Jahre inspiriert, in denen wir diese besondere Musik gemacht haben.

DKB: Sie selbst geben ja der Band nicht nur Ihre schöne Stimme und schreiben die Texte, sondern spielen bei Blackmore’s Night auch eine Vielzahl von Instrumenten. Können Sie uns Näheres hierzu sagen?

CN: Danke! Ja, ich habe mit der Penny Whistle (einfache Schnabelflöte mit sechs Löchern, DKB) angefangen. Wir hatten eine gekauft, als wir in New Hope Pa waren, und sie lag eine lange Zeit herum, bevor ich versuchte, sie zu spielen. Aber als ich sie in die Hand nahm, hatte ich das Glück, dass alle Töne genau dort waren, wo ich sie vermutete, und das Spielen kam ganz natürlich. Von da an wechselte ich zur Blockflöte. Unser Haus ist im Renaissancestil eingerichtet, und Ritchie hatte angefangen, Schalmeien und mittelalterliche Holzblasinstrumente zu sammeln, von denen wir eigentlich nicht wussten, wie man sie spielt. Also wurden sie als Dekoration an die Wand gehängt. Aber das machte mich immer traurig, da diese Instrumente ja geschaffen waren, um gespielt zu werden und nicht, um an der Wand zu hängen. Also beschloss ich, mir selbst beizubringen, wie man sie spielt. Seitdem spiele ich Schalmei, Krummhorn, Gemshorn, Rauschpfeife, die Bombarde. Das ist wirklich praktisch, weil dies den Geist der Instrumentierung der Musik bewahrt, die wir wiederentdecken. Wir nehmen Lieder aus dem 12. bis 15. Jahrhundert und fügen eine neue Instrumentierung, Texte und Arrangements hinzu. Wenn die Leute das hören, nehmen sie das als neue Lieder wahr und können eine tiefere Verbindung zu ihnen herstellen, anstatt sie in ihrer reinen Originalform zu hören, die ja bereits so viele exzellente Renaissance- oder Mittelalter-Bands auf puristische Weise spielen. Jetzt, da ich so viele Doppelrohrblattinstrumente aus dieser Epoche beherrsche, sind wir im Studio in der Lage, ganze Holzbläser-Ensembles einspielen, um die Musik, die wir interpretieren, zu ergänzen.

DKB: Woher kommt die Inspiration für Ihre Texte?

CN: Von vielen Orten. Für mich ist vor allem die Natur eine vollkommene Inspiration. Die Farben eines Sonnenuntergangs, ein Himmel voller Sterne, der Wind in meinen Haaren, die Farben einer Blume, miteinander verflochtene Weinreben, die sich an einer alten Eiche emporranken …  All diese Dinge sind für mich Magie und Wunder der Natur, die sich uns Tag für Tag darbieten. Viele Menschen sind aber zu beschäftigt, um sie zu sehen. Für mich ist es schön, diese Dinge mit den Augen eines Kindes zu betrachten. Mit Staunen und Ehrfurcht. Aber ich erfahre auch sehr gerne etwas über regionale Volkslegenden, Mythen und Märchen und verwebe diese Geschichten oft mit meinen Texten. Eine große Inspirationsquelle ist natürlich auch die Liebe – die verlorene, ersehnte und gewonnene Liebe. Und Erfahrungen … Dinge, die ich erlebt habe, Träume, die ich hatte, Ängste, Geschichten…. Das alles ist Freiwild für das Schreiben von Texten. Ich liebe das Handwerk des Lyrikschreibens. Eine leere Seite und die endlosen Möglichkeiten, sie zu füllen, begeistern mich. 

DKB: Wie kommt denn der Prozess des Textens im engeren Sinne zustande? Das heißt, wie schaffen Sie, dass die Worte auch wirklich gut zur Musik passen?

CN: Normalerweise habe ich immer Notiz- oder Tagebücher dabei, in denen ich meine Ideen notiere. Das kann mit einem einfachen Wort beginnen, oder mit einer Idee, die dann zu einem ganzen Gedicht aufblühen.  Aber wenn wir Songs schreiben, kommt Ritchie zuerst mit der Musik. Dann schließe ich buchstäblich meine Augen, nehme die Melodielinie in mir auf und versuche, die Bilder zu sehen, die die Musik in meinem Kopf malt. Dabei versuche ich zu kanalisieren, wovon sie handelt. Die Musik ist immer sehr visuell und führt mich dabei oft in die Richtung, um die es gehen soll. Dann nehme ich einfach diese Idee und baue eine Geschichte darum herum. Manchmal bin ich so vertieft in das Schreiben, dass ich zu viele Strophen habe. Dann sagt mir der Produzent, dass ich mich beschränken und kürzerfassen soll. Aber ich hoffe einfach, dass es dem Hörer möglich ist, sich innerhalb der Geschichte, die der Text erzählt, wiederzufinden und auf einer tiefen emotionalen Ebene eine Verbindung zu der Person in der Geschichte des Songs aufzubauen. Text und Musik sind zusammen sehr kraftvoll.

DKB: Für meine deutschen Ohren klingen Sie amerikanisch, wenn Sie sprechen, aber Sie könnten gut als Britin durchgehen, wenn Sie singen. Wie kommt das?

CN: Ich komme aus einem Ort namens Long Island, NY. Der typische Akzent ist hier, Wörter wie „coffee“ als /’kahfie/ oder „long“ als /’lahng/ auszusprechen. Für das Singen ist das kein schöner Akzent! Mein eigener Akzent ist sehr neutral. Ich denke aber, dass bei meiner Aussprache das britische Englisch im Gegensatz zum amerikanischen Englisch durchkommt, das für meine Ohren im Vergleich nicht so fein ist. Ich ändere meinen Akzent aber eigentlich nicht absichtlich, es kommt einfach so spontan, wenn ich singe, denke ich.

DKB: Von Anfang an hat Blackmore’s Night auch wegen der erstaunlichen theatralischen Bühnenauftritte große Aufmerksamkeit gefunden. Die Band spielt oft auf Schlössern und Mittelaltermärkten und trägt dabei historische Gewänder. Die Bandmitglieder haben geschichtsträchtige Namen wie „Bard David of Larchmont“, „Troubadour of Aberdeen“ und „Scarlet Fiddler“. Manchmal erscheint das Publikum zu den Konzerten auch in mittelalterlichen Kostümen. Ist Blackmore’s Night vielleicht da mehr als nur eine Band und offenbart möglicherweise eine Art Sehnsucht nach der Vergangenheit, um eine Ära zurückzubringen oder neu zu erschaffen, die in irgendeiner Weise besser war?

CN: Ich denke, das Schöne daran, in der heutigen Zeit zu leben, ist auch zurückblicken und sehen zu können, welche Epochen einen Widerhall bei einem auslösen. Ich finde es so interessant, auf das Publikum zu schauen und zu sehen, wer die Leute wirklich zu sein glauben. In Jeans und T-Shirts sehen wir ja alle ähnlich aus. Aber wenn Sie sich Ihre Identität aussuchen und sie mit einem Gewand stolz tragen zu könnten, wer oder was würde da eine Resonanz bei Ihnen auslösen? Shakespeare sagte einmal, dass die „Maske nicht dazu da ist, etwas zu verbergen, sondern zu enthüllen“. Wenn man also sieht, wer im Publikum sich wie ein König oder eine Königin fühlt, wer eher ein Mönch oder ein Ritter ist, wer eine Jungfrau oder ein Minnesänger ist – das ist doch ein toller Kommentar zur Psychologie dieser Menschen. Wir bevorzugen diese Zeitperiode wegen der Bilder, die uns faszinieren.  

DKB: Ihr neues Album wird am 12. März erscheinen. Es enthält wiederum eine schöne Sammlung von Liedern, die von der Renaissance-Musik beeinflusst sind. Gibt es da vielleicht einen bestimmten Song, der Ihnen besonders am Herzen liegt und wenn ja, warum?

CN: Ja, der Song „Feather in the Wind“. Er war einer der Ersten, den wir nach unserer Rückkehr ins Studio 2019 geschrieben haben. 2018 war ein sehr schwieriges Jahr für uns, da Ritchie seinen Bruder verloren hat, seinen besten Freund aus seiner ersten Band. Wir beide haben unsere 16 Jahre alte Katze verloren, die am Tag nach unserer Rückkehr von der Tournee gestorben ist. Und ich habe meinen Vater verloren, nachdem er ein Jahr lang gegen den Krebs gekämpft hatte. Wir standen an einem dunklen emotionalen Ort. Das Letzte, was ich tun wollte, war singen oder kreativ sein. Aber dann begann ich Zeichen von meinem Vater zu sehen, eines davon waren Federn, die ich an seltsamen Orten fand. Schöne weiße Federn, die in der Küche, im Schlafzimmer, im Auto usw. auftauchten. Als ich also wieder versuchte, Lieder zu schreiben, benutzte ich diese Zeichen, die ich von meinem Vater erhalten hatte, und in diesem Song „Feather in the Wind“, erkannte ich, dass wir vielleicht alle selbst wie Federn im Wind sind, auf unserer Reise, bis wir unser Ziel erreichen. Das war ein sehr heilsamer Prozess, wieder mit dem Schreiben beginnen zu können, und dieser Song ist für mich deshalb ein sehr persönlicher.

DKB: Die unsägliche Corona-Pandemie hat in Deutschland besonders den Kulturbereich in getroffen, vermutlich auch in den USA. Wie gehen Sie als Musikerin damit um? Die Band kann ja nicht auf Tournee, wie halten Sie die Sichtbarkeit aufrecht und den Kontakt zu Ihren Fans?

CN: Wir haben ein paar Live-Streams für die Fans gemacht. Aber obwohl das das Beste war, was wir zu der Zeit machen konnten, gibt es wirklich nichts, was man mit der Energie auf der Bühne vergleichen kann. Also bleiben wir derzeit über die sozialen Medien Instagram, Facebook, Twitter und Tumblr aktiv und tun weiterhin das, was wir am besten können – Musik für uns selbst zu machen und für alle die, die mit uns auf unserer Reise sind.

DKB: Wenn ich einen Blick in Ihre Plattensammlung werfen könnte, welche Art von Musik würde ich da finden?

CN: Eine ziemliche Vielfalt an verschiedenen Musikarten. Ich höre alles von Maggie Reilly bis Sarah Brightman, Joan Osbourne bis Lambretta. Ich liebe die Musik der 80er Jahre und den Classic Rock der 70er Jahre, aber ich mag auch die Musik der Renaissance. Und natürlich höre ich sogar Blackmore’s Night (lacht).

DKB: Candice Night, vielen Dank, dass Sie uns Ihre Zeit geschenkt haben.  Wir werden Ihr neues Album in Kürze rezensieren. Viel Glück, bleiben Sie gesund und hoffentlich sehen wir Blackmore’s Night sehr bald wieder in Deutschland!

CN: Vielen Dank! Auch wir hoffen, dass wir sehr bald wiederkommen.

Am 12.03. gibt es mehr bei uns über das neue Album „Nature’s Light“ von Blackmore’s Night zu lesen.

Titelfoto: Copyright: earMUSIC_ Photocredit_ Michael Keel

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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