Mailand im Sommer 2020: Die Corona-Pandemie zeigt auch in Mailand ihr Abstandhalten-Gesicht: Die sonst so lebendige Via Marghera wirkt wie ausgestorben. Frederico hat als Arzt nahezu ausschließlich Kontakt über Telefon oder E-Mails mit seinen Patienten*innen, die ihm das übel nehmen. Seine Praxis hat er von seinem Vater übernommen und viele vergleichen ihn immer noch mit ihm. Verurteilen ihn, obwohl es die verfluchte Pandemie ist.
Das Café Royal ist trotz Lockdown geöffnet. Und Gabrielle, der sich jeden frühen Morgen dazu zwingt, durch die leeren Straßen zu joggen, stellt sich an die Menschen Schlange an, die sich davor gebildet hat, um einen Cappuccino zu kaufen. Ist es der extreme Mangel an menschlichen Kontakten, dass er sich sogleich in den Mann verliebt, der seinen Espresso schnell in sich hineinschüttet und im Hauseingang gegenüber verschwindet? Gabrielle muss unbedingt herausfinden, wer er ist und wird dabei sehr erfinderisch.
Bettie lebt schon ihr ganzes Leben in dieser Stadt, in diesem Haus und hat ihre Kinder hier großgezogen. Nun sind sie überall in der Welt, nur nicht in ihrer Nähe. Einzig Peppe und seine Familie wohnen noch hier. Doch der ist zu beschäftigt, sodass er seine Mutter noch seltener sieht als seine Geschwister. Nun wird Bettie Tag und Nacht und in jedem Raum von einer Überwachungskamera beobachtet, damit ihr rechtzeitig geholfen werden kann, sollte ihr etwas passieren. Sie ist so wütend darüber, dass sie am liebsten das dunkle Ding über der Tür mit ihrem Stock zerschlagen würde. Da kommt ihr eine Idee …
Veronica sinniert darüber, ob es ein Fehler war, Paolo geheiratet zu haben. Nun sind sie seit fünf Jahren verheiratet. Doch auch ihre früheren Lover waren alle keine Helden. Hätten sie ebenfalls von ihr verlangt abzutreiben? Alle stehen sie jetzt gedanklich vor ihrer persönlichen Anklagebank und müssen sich rechtfertigen. Sie fragt sich, warum sie das tut, denn mittlerweile sind sie Eltern von Giacomo, ihrem kleinen Sohn. Warum will sie ausgerechnet jetzt Luca treffen, einem Lover aus der Vergangenheit?
Der Schriftsteller Michele hebt den Blick vom Bildschirm, verlässt das Haus, um sich mit seinem Verleger zu treffen. Überraschende Momente beim Warten auf den Zug nach Turin, die es ohne Pandemie so vielleicht nicht gegeben hätte, entfachen seine Fantasie.
Ja, langsam kehrt wieder Leben in das Café Royal ein. Und wir alle haben die Corona-Pandemie erleben müssen. Nicht wenige möchten gar nicht daran zurückdenken. Der kleine, aber sehr feine Erzählband „Café Royal“ des Schriftstellers Marco Balzano schickt uns mit seinen Erzählungen und seinen 18 Protagonisten in diese Zeit zurück, berührt mit seiner empathischen Erzählweise und unterhält uns damit auf beste Weise.
Café Royal von Marco Balzano
Aus dem Italienischen von Peter Klöss
Hardcover Leinen
192 Seiten
erschienen im Diogenes Verlag
