Im Roman „Café der Unsichtbaren“ bildet eine Gruppe Männer und Frauen einen Stuhlkreis. Sie sind ausgebildet, um sich am Telefon die Sorgen völlig Fremder anzuhören. „Denn die Sorgen und Katastrophen bekommen beim Erzählen einen Sinn“, so der Slogan der Ausgebildeten. Rieke studiert Theologie und bereitet sich bei Sorgentelefon e. V. auf die Gemeindearbeit vor. Wanda kann die DDR nicht vergessen und sammelt Gegenstände, die im Museum für nicht mehr gebrauchte Gegenstände landen. Matthias ist körperlich stark, doch das Leben an sich findet er rätselhaft. Seit er während der Ausbildung die schöne Emilia gesehen hat, ist er verliebt. Marianne hat sich ein anderes Leben gewünscht. Nun führt sie die Buchhaltung eines Unternehmens und hofft darauf, dass der Sinn in ihrem Leben noch kommen wird. Der pensionierte Redakteur Lorentz hört mit seinem uralten Aufnahmegerät die Stille nach Stimmen aus dem Reich der Toten ab und lauscht am Ende doch nur seinem eigenen Atem. Und die 80-jährige heitere Ich-Erzählerin von Schrey weiß nicht, ob sie Pianistin oder Terroristin werden wollte.
Sie sind unterschiedliche Charaktere, doch ihr Ehrenamt vereint sie. Ihr aktives Zuhören gibt ihren unsichtbaren Anrufern ein Gesicht, deren Geschichten und Sorgen nach Einsamkeit, Ratlosigkeit dem Leben und dem Tod gegenüber klingen. Sie alle sitzen im Café der Unsichtbaren, lösen sich jedoch nicht auf. Vielmehr knüpfen Anruferinnen und Zuhörerinnen ein gemeinsames unsichtbares Netz, das eine Fülle von erinnerten Geschichten aus dem Leben vieler enthält.
Ein sehr poetischer Roman über das Dasein auf Erden im Allgemeinen, in dem die Schriftstellerin mit viel Sympathie und Wärme die Figuren ihres Romans zum Leben erweckt. Die nur wenig Licht und mehr Schatten erlebt haben und doch eine unbändige Lust am Leben verspüren. Denn was danach kommt – wer weiß das schon. Sehr lesenswert!
Café der Unsichtbaren von Judith Kuckart
ist bei Dumont erschienen
JUDITH KUCKART, geboren 1959, lebt als Autorin und Regisseurin in Berlin. Sie veröffentlichte bei DuMont den Roman ›Lenas Liebe‹ (2002), den Erzählband ›Die Autorenwitwe‹ (2003), die Neuausgabe ihres Romans ›Der Bibliothekar‹ (2004) sowie die Romane ›Kaiserstraße‹ (2006), ›Die Verdächtige‹ (2008), ›Wünsche‹ (2013), ›Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück‹ (2015) und ›Kein Sturm, nur Wetter‹ (2019). Judith Kuckart wurde mit zahlreichen Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet.