Der in Skien, südwestlich von Oslo aufgewachsene Jazzpianist und Komponist Bugge Wesseltoft hat wesentlichen Anteil daran, dass norwegischer Jazz zu einem Gütezeichen geworden ist.
Mit seinen Soloalben hat er sich längst auch international einen Namen gemacht und kann in einem Atemzug mit Keith Jarrett, Espen Eriksen oder Abdullah Ibrahim genannt werden. Zu seinen verschiedenen Gruppenprojekten gehört das exzellente Trio Rymden, dessen Album „Space Sailors“ ein absoluter Kracher war.
Wesseltofts neues Album, das soeben erschienen ist, trägt den schlichten Titel be am. Der Kontrast zu den gnadenlos vorantreibenden Rhythmen und überschäumenden Prog-Rock Orgien auf „Space Sailors“, bei denen der Musiker häufig vom Flügel auf den Moog Synthesizer wechselt, könnte hier kaum größer sein. Der Norweger schraubt die ungezügelte Klangwucht herunter, kehrt zu dem typischen Sound des nordischen Jazz zurück, der die Mentalität der Skandinavier in ihrer Musik widerzuspiegeln scheint – sie klingt immer ein wenig schwermütig, sinnierend, meditativ.
Der Titel „Tide“ ist eine einfache, bittersüße Klaviermelodie, die einen schnell in den Bann zieht, Wesseltoft klingt hier reifer als jemals zuvor. Eine vierminütige, zarte, gospelartige Ballade, die einen fast hymnischen Anstrich hat.
Bei Stücken wie „Deeper“, wo persönliche Erinnerungen an die Einsamkeit des Lockdown in jedem sonoren Akkord gespeichert zu sein scheinen, hat sein Klavier einen glockenähnlichen Klang. „State“ ist dagegen ein Stück düsterer Erregung mit hypnotischen Impulsen und flüchtigen dissonanten Momenten. Im Gegensatz dazu werden im Song „Life“ zarte Kalimba-Töne von einem idyllischen Klavier untermalt, das von munterem Vogelgezwitscher begleitet wird.
Zweimal befindet sich der Musiker in bester Gesellschaft in Gestalt des Saxofonisten Håkon Kornstad, der in den Stücken „Emerging“ und „Roads die sanften, klirrrenden Klänge eines E-Piano mit seinem seelenvollen Instrument veredelt.
Andernorts scheinen bestimmte Titel eine offensichtliche Botschaft zu vermitteln, wie in „Gonna Be Ok“, wo das sanfte Keyboard einen bluesigen Refrain hat, und in der ruhigen Schlussnummer „Sunbeams Through Leaves Softly Rustling“, die den Trost der Natur suggeriert.
Man könnte meinen, dass die stimmungsvollen, melancholischen Balladen des Albums etwas Trauriges aussagen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Wesseltoft sie als einen Akt der kreativen Ekstase, der überwältigenden Freude am Überleben teilen will. be am mag teilweise eine Elegie sein. Mit seinem ruhigen, lyrischen Klavierspiel, das sich jeglichen überflüssigen Ballasts entschlägt, ist das Album jedoch auch Labsal für gestresste Seelen in unruhiger Zeit und vermittelt einen Strahl Hoffnung.
BE AM ist am 24.2. bei roughtrade erschienen