Das Theaterstück „Die Dreigroschenoper“ steht kurz vor der Premiere. Die Schauspieler sind zerstritten und unzufrieden mit ihren Rollen, den Texten und Brechts Vorstellungen. Doch Brecht (Lars Eidinger) bleibt entspannt. Und er bekommt Recht. Das Stück schlägt wie eine Bombe ein – eine Sensation. Die Dreigroschenoper wird zu einem Welterfolg.
Es wäre Unfug, Elemente eines Theaterstücks wenig verändert zu verfilmen (Brecht)
Kann aus einem erfolgreichen Theaterstück ein Kinofilm werden? Ja, wenn die Filmindustrie spurt. Doch Brecht will keine Abbildung der Realität, sondern der Film soll den Blick dahinter öffnen: Nur das Künstliche, die Kunst, gibt die Sicht auf die Wirklichkeit frei. Und darum soll es gehen.
Brecht sieht den Film bereits vor sich, angesiedelt in einem London, wie man es aus den Kriminalromanen kennt, im Verbrechermilieu von Soho und Whitechapel. Hier ist der Gangster und Zuhälter Macheath (TOBIAS MORETTI) zu Hause.

Der Film wurde nie in der von Brecht vorgesehenen Weise gedreht. Er durfte nicht radikal, kompromisslos, politisch, pointiert sein, wie es ihm vorschwebte. So wie Brecht sein episches Theater als innovatives Theater auf die Bühne brachte, so will er eine völlig neue Art von Film machen: antiillusionistisch und innovativ. Und er weiß, dass die Produktionsfirma sich niemals darauf einlassen wird. Ihr geht es nur um den Erfolg an der Kasse.
Die Filmversion der Dreigroschenoper, der Kampf des Londoner Gangsters Macheath (Tobias Moretti) mit dem Kopf der Bettelmafia Peachum (Joachim Król) beginnt vor Brechts Augen Form anzunehmen. Doch Brecht zieht vor Gericht. Die Wirklichkeit. Die Richter, die Anwälte, die Journalisten, alle sollen seine Schauspieler werden.
Er nennt den Prozess „Ein soziologisches Experiment“. Vor Gericht will er das Recht erstreiten, die künstlerische Kontrolle über sein Werk zu behalten. Dabei weiß er, dass er diesen Prozess verlieren wird. Und gerade damit will er zeigen, die Justiz gibt finanziellen Interessen den Vorzug. Die Kunst kommt erst an zweiter Stelle. Und das Urteil gibt ihm Recht – Brecht verliert den Prozess.
Der Film von Joachim A. Lang, der auch das Drehbuch schrieb, versetzt den Zuschauer, die Zuschauerin in gespannte Aufmerksamkeit, denn der Film „Mackie Messer – Brechts DreigroschenFilm“ läuft auf verschiedenen Spielebenen ab. Das eigentliche Filmszenario wird im Szenenwechsel in die Rahmenhandlung und die Überlegungen des Autors eingeblendet.
Wie etwa Macheath auf der Straße Polly Peachum (HANNAH HERZSPRUNG) sieht, die mit ihrer Mutter, Frau Peachum (CLAUDIA MICHELSEN), durch die Stadt flaniert. Wie er beschließt, diese Frau zu heiraten, bevor er noch das erste Wort mit ihr gesprochen hat. Wie er Polly entführt.
Pollys Vater ist der Bettlerkönig Peachum (JOACHIM KRÓL), der mit seinem Unternehmen „Bettlers Freund“ eine regelrechte Fabrik betreibt, in der er Menschen als Bettler ausstattet und auf die Straße schickt. Die Hochzeitsfeier findet ohne die Pollys Eltern statt, mit der Bande des Bräutigams und seinen Freunden aus der etablierten Gesellschaft Londons.
Der Regisseur Joachim A. Lang:
„Es ist ein Experiment, ein Versuch etwas Neues zu wagen, ich bin mir bewusst, dass dies auch Widerspruch auslösen wird. Auch weil es in meinem Film Angriffe auf die etablierte Filmindustrie und die scheinbar ewig gültigen Regeln des Films gibt, inhaltlich und ästhetisch.“
Wie einst Bertold Brecht neue Regeln aufgestellt hat, bricht der Film von Joachim A. Lang mit Sehgewohnheiten und fordert die Aufmerksamkeit des Zuschauers heraus. Zudem ist alles, was Brecht im Film sagt, zu 100 Prozent Brecht.
Kurt Weills Musik aus der Dreigroschenoper, die Elemente aus Jazz und Tango, Blues und Jahrmarktsmusik beinhaltet, komplettiert die historische Authentizität des Films. Die Songs werden von den Schauspielern selbst gesungen, und zwar in der von Weill vorgegebenen schwierigen Tonlage.
Ein höchst anspruchsvoller und sehr sehenswerter Film, der auch komische und witzige Szenen hat. Darüber hinaus macht er die Aktualität der „Dreigroschenoper“ sichtbar.
Denn was in unseren Gesellschaften heute teilweise Wirklichkeit ist, markiert das Ende des Films: Macheath wechselt vom Straßenräuber und Zuhälter ins Bankfach und begibt sich in einen Finanzpalast, wird freigekauft und wünscht sich „dass die Reichen gute Reiche und die Armen gute Arme sind“.
Zudem ist der Film herausragend besetzt und man sieht und hört Max Raabe als Moritatensänger.
Ab heute in den Kinos