Ballett am Rhein: COPPÉLIA X MACHINA – Hélène Blackburn

Das Ballett „Coppélia“ von Léo Delibes‘ ist die immer wiederkehrende Geschichte eines Mannes, der glaubt, dass seine Puppe zum Leben erwacht ist. Liebende streiten sich und werden wieder zusammengeführt. Die Realität entspricht nicht immer dem schönen Schein. Das Ballett wurde von einer Geschichte aus der Feder des romantischen Dichters von E.T.A. Hoffmann inspiriert. In seiner Kurzgeschichte „Der Sandmann“ von 1815 wendet sich der Protagonist Nathanael von seiner Jugendliebe Clara ab, weil er sich in die schöne Olimpia verliebt, die sich als Automat entpuppt. Was gestern Abend bei der Premiere des Balletts „Coppelia X Machina“ an der Deutschen Oper am Rhein zu sehen war, blendete nicht. Die Choreografin Hélène Blackburn entwarf vielmehr eine offene und neue Interpretation des Themas. Eines der beliebtesten Ballettsujets – ein Maschinenmenschen-Traum, der in vielen Romanen, Schauergeschichten und Filmen oftmals bildgewaltig erzählt wurde.

Coppelia X Machina: Moderne Erzählung des Mensch -Maschinen Mythos

Man kann sich heute leicht moderne Entsprechungen für die Herangehensweisen an die Idee vorstellen, Männer schaffen sich Frauen. Die Puppe Coppelia ist der Vorläufer der Fem-Bots in Austin Powers, ein Ballett-Äquivalent der aufblasbaren Puppe, die bei einem Junggesellenabschied herumreicht wird. Aber Olimpia hat mehr Ähnlichkeit mit Ava in Ex Machina oder einer Armee von Stepford Wives.

Künstliche Intelligenz ist heute weder Schauermärchen noch Science Fiction. Fortschritte in der Biotechnologie haben längst den Schritt in unsere Realität getan. Die Gestik des Menschen als ursprüngliches Kommunikationsmittel findet hier in der Neuinterpretation des Balletts „Coppelia X Machina“ ihre Entsprechung in den sezierend-präzisen, rasant schnellen Bewegungen der Tänzer*innen, die den ersten Akt eröffnen. In weiße Gewänder gekleidet durchqueren sie die Bühne, treffen sich zum Dialog, der immer ähnliche Variationen dieser Gestik beinhaltet. Sie schieben Bänke in verschiedene Richtungen, sitzen, stehen wieder auf, tauschen wichtiges Wissen und fechten Diskurse und Dispute aus.

Bis die Puppe Coppelia erscheint – doch die ist nicht in einer körperlichen Verfassung, die sich die Schöpfer wünschen. Ihre Funktionen als Frau kann sie nicht erfüllen. Sie klappt immer wieder zusammen und wird schließlich davongetragen.

Der 2. Akt beginnt mit einem Eyecatcher

Foto: Ingo Schäfer

Ein Tänzer im grellen Licht und auf Stelzen. Über ihm erheben sich lange und schmale Neonröhren zu einem Muster. Die Musik erscheint quälender und zerreißt die Stille, die eben noch zu spüren war. Lange bleibt die Gestalt mit ihren metallisch glänzenden Stelzen und Krücken nicht allein. Mehrere Tänzer treffen sich zum Pas de deux zwischen Klassik und modernem Jazz- und Hip-Hop Dance.

Die Neubearbeitung von Léo Delibes‘ Coppélia ist ein unheimliches, treibendes, visuell fesselndes Ballett. Während die Musik und die Choreografie gleichermaßen elegant und intensiv sind, scheinen einige Szenen verwirrend. Das schmälert nicht die Qualität des Stückes. Um mit Nathanael zu sprechen, der Olimpia sieht, ohne wirklich zu verstehen, was sie ist.

Was gestern Abend zu sehen war, das war exzellentes Ballett. Und „Coppelia X Machina“ erhielt zusätzlichen Glanz durch die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut und den Kompositionen von Ana Sokolović. Ebenso durch das stets beeindruckende Bühnenbild und die Kostüme.

Choreographie
Hélène Blackburn
Musikalische Leitung
Patrick Francis Chestnut
Musik
Ana Sokolović
Bühne und Kostüm
Paul Zoller
Licht
Emmanuel Landry
weitere Aufführungen von Coppelia X Machina : 25., 28, Januar 1., 3. Februar

Alle Fotos: Ballett am Rhein/ Fotograf Ingo Schäfer

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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