Was hat das Haar der Königin Anna Boleyn (1501 – 1536) mit einem Tennisball zu tun? Und warum spielte der berühmte italienische Maler Caravaggio Tennis? Dieser aufregende Roman enthält die Antworten. Denn der Tennisball hat eine lange Geschichte, und hier am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts ranken sich viele Erzählungen um ihn. Dennoch ist dies kein Buch über das Tennisspiel.
Nur die Guten gewinnen?
Beim Tennis gewinnen die guten Spieler. Anders im wirklichen Leben, so lehrt uns die Geschichte, da gewinnen oftmals nur die Bösen. Und auch darum geht es in diesem Buch. Oder zählt etwa der spanische Eroberer Hernán Cortés zu den Guten? Doch halt, wenn jetzt der Eindruck entsteht, hier handele es sich um ein Geschichtsbuch, ist das auch falsch. Zwar versteht der Autor Alvar Enriquez es vorzüglich, seine Geschichten mit historischen Wahrheiten zu unterfüttern, immer unterhaltsam und mit politischem Scharfsinn, dennoch entspringen viele Episoden der Fantasie des Erzählers.
Wenn der Gegner des Malers Caravaggio, Francisco de Quevedo, genialer Poet und berüchtigter Rauf- und Trunkenbold, auf dem Tennisplatz nach durchzechter Nacht den Maler herausfordert, dann ist das so sinnlich spannend erzählt, dass die beiden Figuren der damaligen Kulturszene vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen und man dem einen oder anderen den Daumen halten möchte, damit er das Tennismatch gewinnt.
Oder wie die Kunst und das Mäzenatentum zu Zeiten des hitzigen Malers Caravaggio aussehen, der als junger Mann mit dem Ziel nach Rom kommt, sich eine eigene Werkstatt aufzubauen. Er muss sich jedoch zunächst unter den Fittichen des Kardinals stehend, damit zufrieden geben, Aufträge der Kirche wie die Berufung des hl. Matthäus fertigzustellen. Dennoch steht weder die Kunst noch die Person des Malers Caravaggio im Vordergrund.
So geraten auch die Folgen von Hernán Cortés in den Blickpunkt, die durch die Eroberungsfeldzüge des spanischen Abenteurers entstanden sind und keineswegs der Wahrheit entbehren, aber mit zwischenmenschlichen und teilweise erotischen Einzelheiten angereichert sind, sodass die historischen Fakten Individuen mit allen ihren Schwächen und Stärken entstehen lassen.
Und was ist mit dem Tennisball? Der hüpft munter zwischen den Geschichten hin und her und bekommt aufgrund seines Innenlebens eine tiefere Bedeutung als die sauberen harten Bälle unserer Zeit.
Ein etwas anderer Roman des Autors Álvaro Enrigue, der vielfältige und interessante Themen zusammenführt und wunderbar erzählt, sodass das Lesen richtig Spaß macht.
Aufschlag Caravaggio
von Álvaro Enrigue
ISBN: 978-3-89667-545-3
Verlag: Blessing
Álvaro Enrigue, geboren 1969 in Guadalajara, studierte in Mexico City Kommunikationswissenschaften, lehrte anschließend Literatur des 20. Jahrhunderts und promovierte an der University of Maryland. Seit seinem 1996 erschienen Debüt La muerte de un instalador gehört er zu den wichtigsten iberoamerikanischen Gegenwartsautoren, seine Werke sind preisgekrönt und wurden in viele Sprachen übersetzt. Aufschlag Caravaggio ist der erste Roman Enrigues, der auf Deutsch erscheint. Enrigue lebt mit seiner Familie in New York.