Anna oder: Was von einem Leben bleibt

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, wirft sein Tod einen schwarzen Schatten auf die Hinterbliebenen, die manchmal lange trauern und ihn nie vergessen wollen. Doch Erinnerungen verblassen und leben nur wieder auf, wenn Fotos oder andere Andenken in den Blick geraten. Anders ist es, wenn es um Verwandte geht, die man nie gekannt hat. Können Sie aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt werden, wenn es kaum noch Erinnerungen gibt? In der Regel werden sie einfach vergessen…

Nicht so die Urgroßmutter des Autors Henning Sußebach dieses wunderbaren Buchs. Er holt Anna Kalthoff, die 1932 starb, aus dem Vergessen heraus und macht sie auf dem Papier wieder lebendig.

1887 gab es für junge Frauen wie Anna kaum eine berufliche Perspektive. Entweder wurden sie verheiratet, gingen ins Kloster oder wurden Lehrerinnen. So auch Anna, die den in jeder Hinsicht schweren Weg dorthin geht – ins Dorf Cobbenrode, denn dort ist eine Stelle als Lehrerin frei. Ohne großartige Unterstützung und Erfahrung soll sie eine kleine Klasse unterrichten.

Anna Kalthoff bleibt aber nur so lange Lehrerin, bis sie eine Ehe eingehen sollte. Als Ehefrau dürfe sie ihren Beruf nicht weiter ausüben. Und Anna verliebt sich. Doch erst der Tod des Vaters ihrer großen Liebe macht eine Heirat möglich. Von da an ändert sich das Leben Annas dramatisch und nicht immer so, wie sie es sich gewünscht hat. Doch schließlich entwickelt sie sich zu einer selbständigen und starken Persönlichkeit, die trotz aller Schwierigkeiten ihr Leben in die eigene Hand nimmt.

Eine wunderbare Idee und ein berührendes, lebendiges und reichhaltiges Buch, das der Autor über seine Urgroßmutter verfasst hat. Eine Frau, die in bewegten Zeiten und in vier Staaten lebte, Währungsreformen, Börsencrashs und Inflation erlebte. Mit Feingefühl, Intuition, Recherche-Arbeit und aus Erinnerungsstücken rekonstruiert Henning Sußebach das außergewöhnliches Leben seiner Urgroßmutter und einer mutigen Frau.

Leser*innen reisen mit Anna in die Vergangenheit, wundern oder empören, leiden und freuen sich, tauchen ein, in eine andere Welt. Vielleicht werden sie auch ermuntert, in der eigenen Familiengeschichte nach Spuren zu suchen, um längst verstorbene Mitglieder und Verwandte dem Vergessen zu entreißen. Sehr gut erzählt – lehrreich und unbedingt eine lesenswerte Lektüre!

Anna oder: Was von einem
Leben bleibt
Autor: Henning Sußebach

978-3-406-83626-8
VÖ.10. Juli 2025
205 S., mit 17 Abbildungen
Verlag: C.H.Beck

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

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