Während die ganze Welt sich um die COVID-19-Epidemie kümmert, hat der Präsident der USA am Montag laut TIME Magazine vom 21. April 2020 angekündigt, „dass er nach der Epidemie die meisten legalen Einwanderungen in die USA stoppen werde, um Arbeitsplätze zu schützen“. Schon jetzt hätten Grenzbeamte die Epidemie genutzt, um mehr als 10.000 Menschen an den Grenzübergangsstellen abzuweisen, ohne die Asylanträge zu überprüfen. Die Aufnahme von Flüchtlingen wurde auf fast null reduziert. Eine Nachricht aus der Realität. Der Roman „American Dirt“ der Autorin Jeanine Cummins ist dagegen eine Fiktion, die jedoch auf intensiven Recherchen basiert.
Der das Schicksal zahlreicher Migranten erzählt, die aus Mexiko, Honduras und anderen südamerikanischen Ländern in die USA einwandern wollen – illegal. …“ eine erfundene Geschichte, um die unzähligen Geschichten zu ehren, die wir niemals hören werden“, so die Autorin.
Gerade noch hat Lydia mit ihrer Familie, ihrem Mann, den Journalisten Sebastián, ihrer Mutter und anderen Verwandten den 15. Geburtstag ihrer Nichte auf der Terrasse gefeiert. Ein besonderes Fest, das in Mexiko und hier in Acapulco gerne gefeiert wird – ein Einschnitt im Leben eines jungen Mädchens. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, dringen schwer bewaffnete und maskierte Männer auf die Terrasse. Wo zuvor alles noch friedlich und froh zugegangen ist – knallen jetzt Schüsse in immer wiederkehrendem Rhythmus, hinterlassen eine blutige Botschaft und eine ermordete Familie. Nur durch Zufall können Lydia und ihr achtjähriger Sohn Luca entkommen. Sie sind in der Dusche versteckt und haben die Schüsse gehört – Geräusche, die sie niemals mehr vergessen werden. Und von nun an sind sie auf einer atemlosen Flucht durch ein Land, das von Gewalt und Korruption beherrscht wird.
Sie verlassen für immer Lydias Buchladen, der ihr Lebenselixier war, der gleichzeitig aber auch der Ort war, an dem sie Javier kennenlernte, den Mann, der ihre Familie ermorden ließ. Der scheinbar zu einem Freund wurde, dessen wahre Identität Lydia zunächst nicht kannte. Denn Javier war der Kopf des mächtigsten Drogenkartells des Landes. Fatal, dass ihr Mann Spezialist für kriminelle Drogenkartelle war. Nun ist er tot.
Und Lydia beginnt den Kampf aufzunehmen. Sie bewaffnet sich mit allem was ihr zur Verfügung steht, mit ihrem Mut und ihrer Kraft, die ihr bisher nicht in diesem Ausmaß bewusst waren. Aber auch mit einer Machete, um das Rennen gegen die Zeit anzutreten und aus Mexiko zu fliehen. Ihr Ziel – die Grenze im Norden zu den USA. Sie macht sich auf einen Weg, der sie zweieinhalbtausend Kilometer weit von ihrer Heimat entfernen soll. Der mit Angst, Verzweiflung, aber auch mit Mut, Hoffnung, Freundschaft und Menschlichkeit gepflastert ist.
Ein Roman, der sehr intensiv und emotional ist. Die Autorin dringt tief in die Nöte und Ängste der Mutter ein, notiert die kindliche Aufgewühltheit, die Stärke und die Widerstandsfähigkeit der Menschen, die auf der Flucht sind und auf der Suche nach Freiheit und Sicherheit. Die Autorin hat mit ihrem Roman „AMERICAN DIRT“ den Migranten ein Gesicht gegeben. Sie sind nicht etwa nur eine Masse, die uns bedroht. Gesichtslose, die anderen den Job wegnehmen wollen, sondern Menschen wie du und ich!
Ein sehr machtvoller, packender und beeindruckender Roman, den man nicht so schnell vergisst!
AMERICAN DIRT
Jeanine Cummins
Verlag: rororo
Erscheinungstermin: 21.04.2020
560 Seiten
ISBN: 978-3-499-27682-8
übersetzt von: Katharina Naumann
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