Niemals wird die Trauer über den Tod seines ersten Sohnes Paul je verlassen. Sein jetzt vierjähriger zweiter Sohn hat die Narben zwar etwas verblassen lassen, doch dafür beschleicht Paul immer wieder die Angst, auch David könnte ihm verloren gehen. Und tatsächlich, eine Chinareise, die Paul mit David für einige Tage zunächst ohne seine Frau Christine unternimmt, lässt diesen Albtraum zur Realität werden. In einem nur kurzen Moment, als Paul im Hotelfoyer David alleine lässt, geschieht das Unglück, David ist verschwunden. Zunächst glaubt Paul, dass der Kleine sich nur versteckt hat, doch das Absuchen aller möglichen Verstecke bleibt erfolglos. Paul ist alarmiert, denkt aber immer noch nicht an eine Entführung.
Doch der kleine David ist ein sehr attraktives Kind, und Kinder sind in China zur begehrten Ware geworden. In seiner Not wendet sich Paul an seinen Freund Zhang, einen ehemaligen Polizisten, der jetzt jedoch als buddhistischer Mönch lebt. Nach zähen Stunden des Wartens und Hoffens, dass die Polizei etwas erreicht, bekommt Paul einen Anruf aus der Hotelrezeption. Dort wartet ein Unbekannter, der Paul seinen Sohn zurückgebracht hat. Doch damit ist die Gefahr nicht gebannt. Die politisch mächtigen Entführer geben nicht auf. Eine normale Rückreise ist für die Familie unmöglich, denn Bahnhöfe, Straßen und Flughäfen werden überwacht. Sie müssen unter allen Umständen die amerikanische Botschaft in Peking erreichen, doch der Weg dahin ist weit und für Paul, Christine und David mit vielen schrecklichen, aber auch sehr positiven Erfahrungen gepflastert.
Mit größter Sensibilität, Empathie und Differenziertheit beschreibt der Autor Jan-Philipp Sendker eine dramatische Kindesentführung in einem zerrissenen und doch faszinierenden Land, das sich auf dem Weg zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft und der Rückkehr zu „chinesischen Werten“ befindet. Ein Minenfeld für Menschen, die nirgendwo erfolgreich sind oder sich diesen Werten widersetzen. Überaus spannend, kenntnisreich und brillant erzählt!
Am anderen Ende der Nacht
Jan-Philipp Sendker
ISBN: 978-3-89667-389-3
VÖ: 22.08.2016
Verlag: Randomhouse/Blessing
Jan-Philipp Sendker, geboren in Hamburg, war viele Jahre Amerika- und Asien-Korrespondent des Stern. Nach einem weiteren Amerika-Aufenthalt kehrte er nach Deutschland zurück. Er lebt mit seiner Familie in Potsdam. Bei Blessing erschien 2000 seine eindringliche Porträtsammlung Risse in der Großen Mauer. Nach dem Roman-Bestseller Das Herzenhören (2002) folgten Das Flüstern der Schatten (2007), Drachenspiele (2009) und Herzenstimmen (2012). Seine Romane sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt.