Ihr Auftritt beim Woodstock-Festival am 17. August 1969 verschaffte Ten Years After den internationalen Durchbruch. Davor war die britische Bluesband noch recht wenig bekannt. Zwar hatte sie nach einem Gig beim National Jazz & Blues Festival 1967 in London und dank ihres selbstbetitelten Debütalbums eine wachsende Fangemeinde in Großbritannien gewonnen. Doch anders als seine britischen Kollegen Cream war das Quartett um den blonden Sänger und Gitarristen Alvin Lee weit davon entfernt, Superstars zu sein. Doch der Woodstock-Gig und mehr noch der ein Jahr später in die Kinos gekommene Dokumentarfilm tat für Ten Years After Ähnliches, was Live Aid für Queen und U2 tat. Er machte sie zu den neuen Helden des britischen Bluesrock.
Wer den kompletten Auftritt von Ten Years After noch einmal hören wollte, musste bislang zu der 38 CDs umfassenden und teuren Veröffentlichung „Woodstock – Back to the Garden: The Definitive 50th Anniversary Archive“ von Rhino aus dem Jahre 2019 greifen. Die enthielt manches, was nicht alle interessierte und zum Teil minderwertiges Material. Erfreulicherweise wird das einstündige Konzert am 16. August 2024 jetzt erstmalig als eigenständige CD und Doppel-LP mit dem Titel WOODSTOCK 1969 erscheinen. Dem neu restaurierten und sorgfältig abgemischten Konzertmitschnitt liegen dabei die originalen 2“-Mehrspurbänder zugrunde. Sowohl die Digisleeve-CD als auch die 180gm schwergewichtige, schwarze Vinyl-Version, die in einer Gatefold-Hülle stecken, sind mit neuen Liner Notes des renommierten britischen Musikjournalisten Chris Welch versehen.
WOODSTOCK 1969 enthält den vollständigen Auftritt der britischen Band. Zu hören sind eine solide Coverversion von Howlin‘ Wolfs „Spoonful“, mit der die Band eröffnet, zwei Versuche von Sonny Boy Williamsons „Good Morning Little Schoolgirl“, das furiose Schlagzeugsolo „The Hobbit“, Al Koopers „I Can’t Keep From Crying Sometimes“ sowie „Help Me“, eine exzellente Interpretation des von Willie Dixon und Sonny Boy Williamson geschriebenen schweren Bluessongs. Natürlich fehlt auch der Signature Song der Band nicht, mit dem das Konzert und Album endet. Spätestens jetzt bricht die Menge – Schätzungen sprechen von bis zu 500.000 Zuschauern – in Begeisterungsstürme aus. Viele von ihnen waren nach drei Tagen unter freiem Himmel und heftigem Dauerregen ziemlich mitgenommen. Doch jetzt sind Kälte, Nässe und Erschöpfung vergessen. „Hier kommt etwas, das heißt „I’m Going Home“ …per Hubschrauber“, kündigt Gitarrist und Sänger Alvin Lee die letzte Nummer an.
Ein paar Sekunden rasselt er auf seiner Gibson eine wahnsinnig schnell gespielte Notenfolge herunter, die wie eine Maschinengewehrsalve klingt. Dann setzt die Band zu einem halsbrecherischen Boogie an. Lee schreit, bellt und knurrt die vocals heraus, hastet durch ein Kurz-Medley, das Klassiker wie „Baby Please Don’t Go“, „Blues Suede Shoes“ und „Whole Lotta Shakin‘ Goin‘ on“ intoniert, füllt die Lücken mit weiteren Gitarrensalven, spielt auf- und absteigende Blues-Skalen mit unvermindertem Tempo, bis er sich nach neun Minuten in Warp-Geschwindigkeit zu einer finalen Kakophonie der Töne steigert. Kein Wunder, dass die amerikanischen Medien Lee später „Captain Speedfingers“ tauften. Selbst bei den langsameren Songs schienen seine Ausbrüche schneller zu sein, als menschliche Finger es je könnten.
Nicht nur für Fans von Ten Years After ist WOODSTOCK 1969 eine höchst erfreuliche Veröffentlichung und verdient unbedingt eine dicke Empfehlung.
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