Heute vor 110 Jahren wurde Akira Kurosawa geboren. Mit seinen 30 Filmen, die in einem Zeitraum von 57 Jahren entstanden, gilt der Japaner als einer der einflussreichsten Regisseure aller Zeiten.
Einen Film von Akira Kurosawa zu sehen, macht nicht immer Spaß. „Rashomon – Das Lustwäldchen“ spielt im mittelalterlichen Japan. Ein Mord hat stattgefunden und wahrscheinlich eine Vergewaltigung. Vier Zeugen der Ereignisse beschreiben, was sie gesehen haben. Doch ihre Berichte sind widersprüchlich. Die Botschaft des Films: die Wahrheit ist nur schwer zu fassen.
In seiner Heimat wurde der Film mit Gleichgültigkeit aufgenommen. Die japanischen Kinobesucher hatten keine Lust auf Botschaften. Softpornos und einfache Geschichten füllten die Kinosäle in Tokio. Bei den Filmfestspielen von Venedig 1951 erhielt „Rashomon“ jedoch die höchste Auszeichnung der Kritiker, die eigentlich einen Kitschfilm mit Geishas und Kirschblüten erwartet hatten. Zum ersten Mal erlangte ein japanischer Regisseur internationale Anerkennung.
Akira Kurosawa wurde am 23.03.1910 in Tokio als jüngstes von sieben Kindern eines Armeeoffiziers geboren. Zunächst versuchte er sich als Werbegrafiker, hatte jedoch keinen Erfolg. 1936 wurde er Regieassistent von Kajiro Yamenoto, der sein Lehrer und Mentor wurde. Nachdem er mit einer Reihe Drehbücher auf sich aufmerksam gemacht hatte, debütierte er 1943 als Regisseur mit dem Film „Judo Saga“, einem vielbeachteten Melodram, in dem sein notorischer Perfektionismus bereits deutlich wurde: Für eine Szene, in der der Held in einen Teich springt, um seinem Leben ein Ende zu setzen, bestand Kurosawa hartnäckig darauf, dass das Geräusch der Lotosblüten beim Aufplatzen deutlich zu hören war.
Nach dem großen internationalen Triumph von „Rashomon – Das Lustwäldchen“ wurde Kurosawa zum berühmtesten Filmemacher Japans. Die Qualität seiner Arbeiten beruht paradoxerweise auf der Verschmelzung eines hyperjapanischen „Exotismus“, der sich im Wesentlichen auf die Geschichte und Folklore der Samurai stützt, mit einer unübersehbaren Anlehnung an Archetypen der westlichen Kultur, eine Verbindung, die seine Filme für das westliche Publikum zugänglicher machte als für seine Landsleute.
So lässt sich in den Samurai-Romanzen „Die verborgene Festung“ (1958), „Yojimbo – Der Leibwächter“ (1961) und „Sanjuro“ (1962) unschwer der von Kurosawa offen eingestandene Einfluss der Western des US-amerikanischen Filmregisseurs John Fords erkennen. Umgekehrt wurde der am meisten bewunderte Film Kurosawas, „Die Sieben Samurai“, eine dreistündige epische Geschichte über eine Söldnerbande, die einem kleinen, von marodierenden Banditen belagerten Dorf zu Hilfe kommt, in Hollywood als „Die Glorreichen Sieben“ neu gedreht.
Und auch „Rashomon – Das Lustwäldchen“ wurde später sowohl im geographischen als auch allgemeinen Sinne des Wortes als „Carrasco, der Schänder“ verwestlicht, wenngleich das Ergebnis hier nicht sehr überzeugend geriet. Und was die sogenannten „Spaghetti-Western“ von Sergio Leone betrifft, so wären diese ohne Kurosawas historische Epen wohl kaum verfilmt worden.
Während Kurosawas Ansehen im Westen zunahm, begann es im eigenen Land zu sinken. 1971 unternahm der Regisseur, nachdem er nahezu ein Jahrzehnt praktisch untätig geblieben war, einen Selbstmordversuch. Für die jüngeren japanischen Filmemacher wie Masaki Kobayashi oder Nagisa Oshima war er zum distanzierten Vertreter des verhassten Establishments geworden, der sich nicht dazu herabließ, seinen peniblen Blick auf die wahren Probleme der Gesellschaft, in der er lebte, zu richten.
Bei den Produzenten wiederum galt er als streitsüchtiger Perfektionist, dessen aufwändigen Filme gigantische Summen verschlangen, die sie an den Kinokassen nicht einspielten. Für das Publikum war er zu einem belanglosen Anachronismus geworden. Dennoch schaffte es der Regisseur noch einmal mit zwei grandiosen Filmen in die vordersten Reihen des Weltkinos zurückzukommen: 1980 mit „Kagemusha“, der epischen Geschichte eines Diebes, der von einem Warlord als Doppelgänger engagiert wird. Und 1985 mit „Ran“, eine auf das mittelalterliche Japan übertragene Adaption von Shakespeares Tragödie „König Lear“, die die undankbaren Töchter des alternden Königs in dessen nicht weniger undankbare Söhne verwandelt.
Internationaler Erfolg war auch seinem letzten Film, „Madadayo“ aus dem Jahre 1993 beschieden, in dem sich ein japanischer Deutschlehrer über seinen Widerwillen zum Sterben reflektiert – eine Thematik, die für den alternden Regisseur zunehmend relevanter wurde. Fünf Jahre später starb Kurosawa 1998 an den Folgen eines Hirnschlags.