Never judge a Book by its film adaption. Except for 50 Shades of Grey…
Es ist ein Mittwochabend als hunderte Frauen das Corso Multiplexkino am Bellevue in Zürich verlassen. Sie haben soeben den neuesten Chic Flick angeschaut: 50 Shades Of Grey.
Für diejenigen, die hier noch im Dunkeln und nicht in Grauzonen tappen: Anne Haeming von Spiegel Online hat es blendend zusammengefasst:
„Gebaut nach Schema F wie „Fick Dich, Feminismus“: Jungfrau wird von stinkreichem, 27-jährigen Geschäftsmann aus brotlosem Literaturstudium, naja, „gerettet“. Er zeigt ihr seinen Hubschrauber (also den Phallus-Ersatz, nicht was Sie denken), spielt nachts postkoitale Preludien auf dem Flügel. Und ist ein totaler Kontrollfreak. Wegen seiner Kindheit. Daraufhin will sie ihn retten. Wovon Frauen von heute halt so träumen, ne. Dagegen ist „Pretty Woman“ oscarverdächtig komplex.“
Oder noch knackiger via Buzzfeed :
Fühlen sich nur Frauen vom Film angezogen?
Das vollständig von Frauen annektierte Herren WC ist ein guter Indikator für die Männerquote im Kinosaal. Ist es der SM Faktor? Es ist der SM Faktor, oder? Angie Aker hat auf Upworthy ziemlich gut zusammengefasst, warum der Film nichts mit S&M zu tun hat. Viel mehr handelt der Film von einem obsessiven Stalker, der mächtig einen an der Klatsche hat.
In der realen Welt sieht es anders aus.
Die Protagonistin erscheint eher als Opfer. Verharmlost eine hochglanzpolierte Darstellung hier den Kontext? Und was hat das mit SM zu tun? Im Film wird ihre Opferrolle am Ende aufgehoben. Denn sie kann Ihn tatsächlich für die Liebe begeistern und ihn so von seinem Fetisch befreien.
So lieben wir Happy Endings. Wenn der Bösewicht sich am Ende wieder besinnt und zugunsten der Liebe seinen Fetisch aufgibt.
Doch in der realen Welt sieht die Wahrnehmung des Opfers meist anders aus, wie Angie Aker treffend formuliert:
„The most surprising thing about abuse victims is that they rarely see themselves that way at first. They often see themselves as strong people trying to rescue a volatile but salvageable partner. It’s when abuse victims start to let go of the fairy tale that they alone MUST stay so they can „fix“ this person that they can finally start to rebuild their lives and find a love that fortifies them.“
Der Mechanismus von Liebe und Sex in Verbindung mit SM ist auch das Leitmotiv in Paolo Coelhos 11 Minuten. Im Vergleich zu 50 Shades Of Grey liest sich Coelhos Buch jedoch wie ein literarisches Meisterwerk.
Die Soziologin Eva Illouz hat bereits 2012 in ihrem Essay darlegen können, warum eine Liebschaft, die von einem SM Rahmenvertrag umhüllt wird, gerade heute den Nerv der Zeit trifft:
Als Quintessenz bleiben quintus Fragen:
1) Ist mit dem neureichen Milliardär und der Studentin nach den Prinzipien des aristotelischem Drama bewusst eine abgehobene Personenkonstellation gewählt worden?
2) Damit man staunen kann, wie es „die da oben treiben“, während der Durchschnitt brav in der Missionarsstellung verweilt?
3) Angenommen man tauscht den jungen hübschen Milliardär mit einer Figur à la Strauss Kahn aus. Wie wäre das?
4) Relativiert das Buch und der Film die sexuelle Emanzipation?
5) Oder ist das einfach nur Entertainment und man sollte das nicht überinterpretieren?
Der Autor freut sich über Eure Erkenntnisse, Kommentare und Gedanken.
ps: Dass die möchtegern Feministen Ikone Beyonce einen Exklusivsong beisteuert ist richtig bescheuert. Hier ein Song, der auf dem Soundtrack wirklich fehlt:
https://www.youtube.com/watch?v=nLEjKUR0xZ4