THE JOSHUA TREE – U2

Das U2-Album THE JOSHUA TREE aus dem Jahre 1987 zeigt die irische Band in Höchstform: elf mitreißende, berührende Songs über Selbstzweifel, Humanität, Hoffnung und Kriegsangst. Schnörkellos, eingängig und im besten Sinne so poplastig, dass sie die Band, die bis dahin in überschaubaren Konzertsälen gespielt hatte, plötzlich in Riesenstadien katapultierten. Kein Album hatte sich so schnell verkauft wie THE JOSHUA TREE, als es 1987 an die Spitze der „Billboard“ kletterte. Bereits 28 Stunden nach seiner Veröffentlichung erhielt es die erste von zehn Platin-Schallplatten.

THE JOSHUA TREE in verschiedenen erweiterten Versionen

30 Jahre später legen U2 ihr legendäres Album, das ursprünglich „The Two Americas“ heißen sollte, mit einem retrospektiven Boxenset erneut auf, das seit Anfang Juni 2017 in verschiedenen erweiterten Formaten in den Läden ist. Die Doppel-CD, die dem KULTURBLOG zur Besprechung vorlag, enthält neben dem neu abgemischten Album den Live-Mitschnitt eines Konzertes, das die Band im September 1987 im New Yorker Madison Square Garden gegeben hatte, sowie ein Booklet mit den Texten der Songs. Das 4-CDs-Set packt zwei zusätzliche Discs mit Raritäten, Remixes , B-Seiten sowie ein 84-seitiges Buch mit zahlreichen bislang nicht bekannten Fotos drauf, die The Edge bei einer Fotosession in der Mojave-Wüste geschossen hatte. Vinylfreunde dürften sich über die opulente 7-LP-Box freuen, der ebenfalls der Fotoband beiliegt.

Remastertes Originalalbum mit druckvollerem Sound

Zur ersten CD, dem neu abgemischten Originalalbum, ist nicht allzu viel zu sagen. THE JOSHUA TREE enthält auch im Rückblick nach 30 Jahren keinen einzigen schlechten Song, wohl aber gleich drei Megahits, die sich wahrscheinlich unwiderruflich auf Dauer ins kollektive Musikgedächtnis eingegraben haben: das unruhige „Where the Streets have no Names“, das gospelähnliche „I still haven’t found what I’m looking for (was U2-Fans, die sich für die DeLuxe-Edition entscheiden, wegen der vielen Outtakes vermutlich nun nicht mehr sagen) und das hymnische „With or Without You“.  Der von Brian Eno und Daniel Lanois wie aus einem Guss geschaffene Sound klingt im neuen akustischen Gewand tadellos und eine Spur druckvoller. Und die Songs selbst leben ohnehin seit eh und je von ihren musikalischen Antinomien, wie sie im fiebrigen Wahnsinn des Antikriegssongs „Bullet the Blue Sky“ und der resignativ-fatalistischen Erschöpfung von „Running to Stand Still“, einem Song über das Schicksal eines Drogenpärchens, wohl am deutlichsten zum Ausdruck kommen.

Beindruckender Live-Mitschnitt

Der eindrucksvolle Konzertmitschnitt im Madison Square Garden zeigt indessen, warum U2 zu Recht bis heute als Top-Live Band gelten. Bonos charismatischer Gesang, die mit exaktem Timing gespielten präzisen und einprägsamen Riffs von The Edge, der treibende, groovige Bass von Adam Clayton und nicht zuletzt das markante, kraftvolle Schlagzeugspiel von Larry Mullen Jr sind die Ingredienzen einer Band, die die Massen aufwühlt und mühelos zwei Stunden unter Strom hält.

Bei diesem Konzert spielen U2 den Song „I still haven’t found what I’m looking for“ gleich zweimal. Zunächst im ersten Teil des Konzertes in der bekannten Version mit dem Bob-Marley-Outro, die auf dem Livealbum „Rattle and Hum“ von 1986 zu finden ist. Und dann, als Zugabe noch einmal, doch jetzt mit stimmengewaltiger Unterstützung durch den 25-köpfigen Gospelchor „The New Voices of Freedom“.

Bono, der abwechselnd den Entertainer, Kämpfer für die Entrechteten der Welt und den Prediger gibt, entfaltet sein Charisma am besten beim Antikriegssong „Bullet the Blue Sky“. The   Edge beginnt den Song mit einer kurzen Einspielung der amerikanischen Nationalhymne in der Version von Jimi Hendrix, bevor er ihn gefühlvoll mit seiner Slide-Gitarre unterfüttert. In „Exit“, einer düsteren Meditation über einen Serienmörder, zu der sich Bono nach der Lektüre von Norman Mailers Roman „The Executioner’s Song inspirieren ließ, spielt die Band kurz eine paar Takte aus dem Song „Gloria“ in der Version von Patti Smith. Vor dem schönen Solo im Stück „In God’s Country“ schreit Bono dann „Fuck it up, Edge“ und „Trip Through Your Wires“ ist, so bekundet Bono in der Ansage „…so ne Art Liebessong“, den er sich dann prompt selbst widmet.

FAZIT: The Madison Square Garden Concert ist eine mitreißende Momentaufnahme einer hochenergetischen, vor Selbstbewusstsein strotzenden Band, die weiß, dass sie den Gipfel der Popularität erklommen hat, und offensichtlich nicht gewillt ist, ihn je wieder zu verlassen. Ein wenig schade ist freilich schon, dass das gelungene Cover des Beatles-Songs „Help“, sowie die beiden großartigen eigenen Songs „Bad“ und „Spanish Eyes“, die die Band ebenfalls an diesem Abend gespielt hatte, fehlen.

Standardbild
Hans Kaltwasser
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