Spectre – Filmkritik

Mit einer Einspielsumme von geschätzt rund 64 Millionen Dollar in der ersten Woche hat „Spectre“ unlängst mal eben den erfolgreichsten Kinostart in der Geschichte Großbritanniens hingelegt. Dazu ist der (nach offizieller Zählung) 24. James-Bond-Streifen mit 148 Minuten Spielzeit nicht nur der längste der gesamten Kult-Reihe, sondern auch der teuerste: Etwa 300 (!) Millionen Dollar soll die Produktion des Films, in dem Daniel Craig zum vierten Mal als Geheimagent in Diensten ihrer Majestät zurückkehrt, gekostet haben – und dieser enorme finanzielle Aufwand ist auch in gleich mehreren packenden Sequenzen auf der Leinwand deutlich sichtbar.

©-Sony-Pictures-Releasing-GmbH
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Bei derart eindrucksvollen Zahlen sowie den starken wie sehr erfolgreichen Vorgänger-Teilen „Casino Royal“ und zuletzt „Skyfall“ (der eher mäßige „Ein Quantum Trost“ sei an dieser Stelle lediglich anstandshalber auch erwähnt) ist es kein Wunder, dass die Erwartungen an „Spectre“ durchweg hoch sind. Und – soviel sei an dieser Stelle schon einmal verraten – dem Action-Thriller von Regisseur Sam Mendes gelingt es durchaus, diese Ansprüche zu erfüllen.

Allerdings nicht uneingeschränkt.
Denn obwohl „Spectre“ ein guter und durchweg unterhaltsamer Film ist, gibt es auch ein paar Zutaten, die im Nachgang des mit Spannung erwarteten Blockbusters doch ein wenig fad erscheinen. So ist zum einen die Motivation des Oberschurken Franz Oberhauser (Christoph Waltz) irgendwie nicht wirklich neu und wirkt dabei auch noch platt und beliebig. Ebenso wird auf die titelgebende Geheimorganisation bis auf die Nennung ihres Namens seltsamerweise kaum näher eingegangen. Daneben ist auch die Story (vor allem für Bond-Kenner) nur selten überraschend und kommt bis zur ebenfalls wenig überraschenden Auflösung des Plots zu linear daher und es wirkt stellenweise fast so, als seien die Etappen der Bondschen Jagd nach dem Bösewicht einfach lieblos aneinandergereiht.

Jedoch, und das ist einer von gleich mehreren positiven Punkten, gelingt es „Spectre“ trotz dieses ausbaufähigen Erzählstils mehr als ordentlich, den Kreis zu einem angemessenen Ende zu führen, der in „Casino Royale“ erzählerisch begonnen und mit „Ein Quantum Trost“ sowie „Skyfall“ in den vergangenen Jahren fortgesetzt wurde. Dabei wird übrigens die Tür zu einem möglichen fünften Teil mit Daniel Craig als Hauptdarsteller offen gelassen.

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Das bislang wohl düsterste Bond-Abenteuer, das zahlreiche Rückverweise auf die Handlungen der Vorgänger-Streifen enthält, beginnt mit ordentlich Chaos und Verwüstung – natürlich angerichtet vom MI6-Agenten höchstselbst. Dessen auf eigene Faust initiiertes Attentat auf den Schurken Marco Sciarra (Alessandro Cremona) legt nämlich einen kompletten Häuserblock Mexiko Citys in Schutt und Asche. Infolge dessen sieht sich Geheimdienst-Chef M (Ralph Fiennes) dazu gezwungen, 007 vom Dienst zu suspendieren. Doch Bond wäre nicht Bond, wenn er sich nicht trotzdem auf die Jagd nach Sciarras Hintermännern machen würde. Und so führen ihn schließlich ein Treffen mit Sciarras Witwe Lucia (Monica Bellucci), ein Ring und eine Videobotschaft schließlich zu einem Treffen der Terrororganisation Spectre. Mit deren mysteriösem Boss Franz Oberhauser (Christoph Waltz) verbindet den Geheimagenten aufgrund der Vergangenheit dabei um einiges mehr, als er gedacht hätte. Zudem muss Bond bei seinem Feldzug auch noch Psychologin Madeleine Swann (Léa Seydoux), die Tochter seines Feindes Mr. White (Jesper Christensen), beschützen.
In der Parallelhandlung hat Bond-Chef M in London derweil ganz andere Probleme: Er wird von Max Denbigh (Andrew Scott), dem neuen Leiter des „Centre for National Security“, unter Druck gesetzt, das Doppelnull-Programm zu schließen und stattdessen auf den totalen Überwachungsstaat zu setzen.

Im Verlauf dieser Geschichte muss sich Bond diesmal nicht nur mit Schurken, sondern auch noch mit den langen Schatten seiner Vergangenheit herumschlagen. Wie spätestens seit dem Vorgänger-Film „Skyfall“ bekannt ist, wurde der Geheimagent im Alter von elf Jahren Waise und einem Vormund anvertraut, der in diese Ersatzvater-Beziehung einen leiblichen Sohn einbrachte. Dazu hat Bond, der Frauenheld, auch seine verstorbene große Liebe, Vesper Lynd, immer noch nicht vergessen. Schade, dass diesen beiden spannenden Sachverhalten in „Spectre“ nicht allzu viel Platz eingeräumt wird. Sie werden schlichtweg zu oberflächlich behandelt.

Umzug-der-Toten

Was in „Spectre“ – wie nahezu in allen Bond-Streifen – dagegen einmal mehr eindrucksvoll von vorne bis hinten passt, ist die Action. Wenn beispielsweise die Eingangssequenz bei einem Massenumzug zum „Tag der Toten“ in Mexiko City trotz großen Action-Feuerwerks und tausenden Statisten fast ohne Schnitt auskommt, dann ist das einfach großes Kino mit richtig packenden Aufnahmen. Ob Todeskampf im Helikopter, Auto-Verfolgungsjagd am Tiber, eine Flugzeug-Verfolgungsjagd in den Bergen oder eine Prügelei im Zug – auf Bonds folgenden Stationen in London, Rom, Österreich oder Marokko gibt es viele dieser Actionnummern zu sehen. Und die machen eben richtig Spaß.

Mitten in dieser temporeichen „Schnitzeljagd“ steht auch noch ein Daniel Craig, der sich als 007 abermals in Bestform zeigt und bei aller körperlicher Präsenz auch wie gewohnt seine knackig-zynischen Sprüche raushaut. Das alles funktioniert ebenfalls wieder einmal bestens!

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Auch der zweifache Oscar-Gewinner Christoph Waltz überzeugt als Oberschurke. Und das trotz seiner überraschend etwas (zu) kurz geratenen Leinwandzeit. Der Deutsch-Österreicher holt aus seinen Auftritten einiges raus und erweist sich als ein würdiges Mitglied in der Riege der großen Bond-Bösewichte und allein seiner Darbietung ist es zu verdanken, dass die Figur des Franz Oberhauser nicht zu einem x-beliebigen wahnsinnigen Terroristen „von der Stange“ verkommt, der schnell nach dem Abspann in Vergessenheit gerät.

Daneben ist die gut aufgelegte Léa Sedoux in der Figur der Madeleine Swann durchaus ein Gewinn für den Bond-Streifen. Auch Ex-Wrestler Dave Bautista überzeugt als wortkarger Haudrauf namens Mister Hinx – allerdings, und das ist kaum überraschend, vor allem in körperlicher Hinsicht. Daneben dürften die hinreichend bekannten Bond-Helfer um Ben Whishaw als schlagfertiger wie genialer Quartiermeister „Q“ und Ralph Fiennes als „M“ mit ihren erneut sympathischen Auftritten beim Publikum weitere Beliebtheitspunkte sammeln.

Fazit: „James Bond – Spectre“ ist der teuerste und längste Bond-Streifen aller Zeiten. Aber ist er auch der beste? Nein, aufgrund der genannten Schwächen ist er das nicht! Aus der jüngeren Vergangenheit haben da allein schon „Casino Royal“ und „Skyfall“ für sich gesehen im Direktvergleich die Nase vorn. Gleichwohl macht der vierte 007-Blockbuster mit Daniel Craig in der Hauptrolle viel Spaß und gehört zu den guten sowie sehenswerten Verfilmungen der Kult-Reihe um den Agenten mit der Lizenz zum Töten. Und als Abschluss der insgesamt starken Quadrologie des 2006 gestarteten Reboots funktioniert „Spectre“ ebenfalls bestens.

Alle Fotos:©-Sony-Pictures-Releasing-GmbH

Standardbild
Niklas Frielingsdorf
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