Pop-Frauen der Gegenwart

Die Grenzen zwischen Künstler und Fan verwischen immer mehr. Die sozialen Medien haben daran einen großen Anteil. Was hinter den Kulissen der Pop-Industrie passiert, wie Images von MusikerInnen, hier insbesondere die weiblicher Popstars inszeniert werden, wie sie sich medial entwickeln, inwieweit weibliche und männliche Klischees aufgenommen und Gender-Imagebilder von Popstars der Gegenwart kreiert werden, wie die Stimme sich vom Naturmaterial zur Popstimme als speziellem Instrument der populären Musik moduliert, das sind unter anderem die Themen des von Christa Brüstle herausgegebenen Buchs „Pop-Frauen der Gegenwart“.

Pop-Voice

„Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme.“Richard Wagner

Doch was passiert mit der Stimme, die gleichwohl als unerlässlicher Part in der Popmusik Emotionen auslöst und transponiert? Wie weit entfernt sie sich von ihrem natürlichen Zustand, wenn sie als Pop-Voice in Erscheinung tritt? Wie sehr entkörperlicht sie sich und wird zu einem weiteren elektronisch verstärkten Instrument? Auch die verschiedensten Ausprägungen wie die „schwarze“ oder weiße, weibliche und männliche Stimme, die auf der Grundlage einer physischen Erregung nach außen tritt je nach dem, welche Interpretationsgrundlage die Sängerin hat und welchen Musikstil sie vertritt. Dies und vieles mehr wird thematisiert. Oder der Schrei als besonders erregter Stimmausdruck, in der Popmusik wird er von den Beatles beispielsweise in „Twist and Shout“ als Höhepunkt eingesetzt.  Ian Gillan von Deep Purple dagegen integriert den Schrei im Song „Child in time“ melodisch innerhalb des Stücks und die Gitarre von Richie Blackmore führt ihn mit seiner Gitarre weiter.

Beatles

Child in time Deep Purple

Dies und mehr hat der Autor Werner Jauk in seinem Beitrag Uni-Sex-Voices, das“Erregende und Performative im Pop-Sound“ beschrieben.

Warum Lady Gaga auch eine Rocksängerin ist

Ein weiteres spannendes und aufschlussreiches Kapitel im Band „Pop-Frauen der Gegenwart“ ist die Entwicklung der Sängerin Stefani Germanotta zur besser bekannten Lady Gaga. Wie kam es zu dieser spektakulären Karriere der überaus talentierten Künstlerin, die mit vier Jahren schon Klavier spielen konnte, ihr Kunststudium an der New Yorker Universität hingeschmissen hat, um eine Musikkarriere zu beginnen?

Der Pop hält nicht das, was der Rock verspricht

Welche Faktoren bestimmen die Einschätzung, was Rock und Popmusik trennt? Allzu simpel ausgedrückt: Rock ist hart und Pop ist soft oder Rock ist authentisch und Pop ein Fake. Ist eine Trennung zwischen diesen Genres sinnvoll und folgt sie einem bestimmten Zweck? Ein Beispiel liefert die Verwandlung der Rocksängerin zur Popdiva, die durch die Infusion von Rockmusik in ihre Popmusik schließlich ein „Genrecrossing“ vollzieht, ein höchst interessanter Beitrag von Mathieu Deflen.

Stronger then me

Amy Winehouse beschäftigte jüngst durch den Dokumentarfilm über sie die Medien. Dort wird das kurze Leben der Künstlerin gezeigt. In diesem Buch „Pop-Frauen der Gegenwart“ darf sie auf keinen Fall fehlen. Speziell wenn es um Geschlechterrollen in der populären Musik geht. Insbesondere am Beispiel des Songs „Stronger than me“ wird eine ambivalente Einstellung des Genderklischees sichtbar. Amy Winehouse hat viele Torchsongs geschrieben und gesungen. Eine weibliche Domäne, obwohl auch immer häufiger Männer Torchs singen. Im Songtext stellt die Sängerin fest, dass der Mann stärker als sie sein solle, und beklagt sein Versagen. Zudem ihre stilistische Vielfalt und Stimmgewaltigkeit und ihr hohes Begabungsniveau, was zu ihrer Popularität beigetragen, aber auch ein Spannungsverhältnis zu und in den Medien begünstigt hat, analytisch betrachtet.Ein sehr guter und informativer Beitrag von Claudia Bullerjahn.

https://youtu.be/vOl_gRgFSK4

Aussehen als ob – queer Style

Mode ist überall …(Coco Chanel) und natürlich auch auf der Bühne zu sehen. Sie kann dazu beitragen, ein Klischee zu bedienen oder Spannung zu erzeugen, zwischen dem was ist und dem was sein soll. Die Künstlerinnen LaRoux, und Pink zeigen durch ihren lesbischen Style etwas, was sie nicht sind. Ob bewusst oder als strategische Attitude, der Beitrag „Queer Style“ analysiert vortrefflich das äußere Erscheinungsbild und die Klischeebedienung weiblicher Popstars. Autorin Katharina Rost.

Zudem werden Frauenrollen im Metal, Selbstinszenierungen und Inszenierungen am Beispiel der Popstars Madonna und Björk aufgegriffen.

Ein ausserordentlich interessanter wissenschaftlicher Zugang zum Thema Popmusik, – kultur und die weibliche Rolle und Präsenz in diesem wichtigen Kultursektor. Die Beiträge sind zudem so aufgearbeitet, dass auch der musikinteressierte Fan von Lady Gaga, Amy Winehouse, Pink, Grimes, Lana Del Rey, Lady Bitch Ray und Peaches von der Lektüre profitiert und erst recht der Profi daraus Nutzen ziehen kann.
Eine ausserdem noch sehr unterhaltsame Lektüre, sehr lesenswert!.

Pop-Frauen der Gegenwart
Christa Brüstle (Hg.)

Körper – Stimme – Image. Vermarktungsstrategien zwischen Selbstinszenierung und Fremdbestimmung
07/2015, 272 Seiten, kart.
ISBN 978-3-8376-2774-9
Verlag: transcript

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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