Michael Wollny – neues Album Mondenkind

Fünfzehn Jahre Zeit hat sich Michael Wollny für sein erstes „klassisches“ Solo-Pianoalbum gelassen, das heute unter dem Titel MONDENKIND erschienen ist.  Davor hat er in verschiedenen musikalischen Formationen das Terrain zwischen Klassik und Jazz sondiert und sich mit seinen Alben und in zahlreichen Konzerten den Ruf erworben, Virtuosität und Klangästhetik wie kaum ein anderer Jazzpianist zu vereinen.

Die Inspiration für sein neues Album kam von der Geschichte des US-Astronauten Michael Collins, der bei seinen Umrundungen des Mondes im Juli 1969 jeweils 46 Minuten und 38 Sekunden lang ohne Funk- und Sichtkontakt zur Erde war. Für genau diese Zeitspanne schickt uns das Album auf eine wohltuende Hörerlebnisreise, die in bewährter Weise die Elemente von Wollnys grandiosem Können enthält.

Verträumte melancholische Melodielinien und Harmonien changieren jäh mit aufbrausenden Ekstasen, aus zarten, flüchtige Klaviertupfern tauchen urplötzlich donnernde Klanglandschaften auf, bei denen der Pianist auch schon einmal gerne lautstark das Innenleben seines Instruments bearbeitet.

Die fünfzehn Stücke stammen etwa zur Hälfte aus der Feder Wollnys wie beispielsweise die improvisierte dystopische Klangminiatur „Lunar Landscapes“, mit der das Album eröffnet, der eisige titelgebende Song des Albums oder der urgewaltige brachiale Ausbruch „Spacecake“.

Der Rest der Stücke ist eine raffinierte Mischung aus kongenialen Adaptationen bekannter Popsongs wie „Father Lucifer“ von Tori Amos oder „Velvet Gloves & Spit“ des kanadischen Duos Timber Timbre und unkonventionellen Bearbeitungen wie die Interpretation eines Liedes von Alban Berg oder des zweiten Satzes einer Klaviersonate von Rudolf Hindemith, bei der sich Wollny unüberhörbar von der seriellen Musik Eric Saties inspirieren ließ. Trotz der großen Verschiedenartigkeit, der die Stücke entstammen, gelingt es Wollny in einzigartiger Weise sie in großer Harmonie zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen.

Der Titel seines neuen Albums ist einer Figur aus Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ entlehnt. „Mondenkind“ heißt die Kaiserin, die den Jungen Bastian beauftragt, ihr Reich Phantasien vor der Zerstörung durch das Nichts zu retten.

Gerettet vor der drohenden Zerstörung des guten musikalischen  Geschmacks durch den glattpolierten Mainstream, der alltäglich aus dem Radio, in Kaufhäusern und Fahrstühlen auf uns eindringt,  wird auch, wer dieses großartige Album hört. Mit MONDENKIND macht Michael Wollny erneut deutlich, warum er zu den wichtigsten Stimmen des deutschen Jazz gehört.  

  • Label: ACT
  • Barcode:614427976529
  • VÖ. :25.09.2020

Michael Wollny © ACT / joergsteinmetz.com

Standardbild
Hans Kaltwasser
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