Julieta – Filmtipp

Julieta ist der 20. Film des spanischen Kultregisseurs Pedro Almodóvar, der in Cannes das diesjährige Filmfestival eröffnete. Mit dem Film beweist Almodóvar wieder einmal mehr, dass er Frauenthemen meisterhaft in Szene setzen kann, versteht, was in Frauen vorgeht und zeigt dies in brillanten Bildern. Schon die Eingangsszene ist beeindruckend – ein roter Seidenstoff in Nahaufnahme, dahinter vibriert es – ein schlagendes Herz. Das könnte kitschig werden – doch bevor man das denken kann, ist die Szene vorbei.

Julieta – eine Mutter-Tochter-Beziehung

Julieta (Emma Suarez) packt umgeben von Umzugskarton die letzten Sachen zusammen. Darunter eine kleine Männerskulptur, die in ihrer Hand fast verschwindet. Nachdenklich und gerührt verweilt sie eine Weile so, um die Figur schließlich einzupacken. Julieta will Madrid verlassen, um mit Lorenzo in Portugal ein neues Leben zu beginnen.

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Julieta möchte mit Lorenzo in Portugal ein neues Leben beginnen.

Es folgt in Rückblenden eine emotionale Reise durch die letzten 30 Lebensjahre Julietas: Im Zug beginnt die Geschichte zwischen Julieta und Xoan. Eigentlich sind beide sehr unterschiedlich, Julieta (hier Adriana Ugarte) ist Lehrerin und Xoan (Daniel Grao) ein einfacher Fischer. Und dennoch ziehen sich die beiden vom ersten Augenblick magnetisch an – und in diesem Zugabteil wird Antia gezeugt. Überschattet wird die Begegnung durch den Selbstmord eines Mannes, den Julieta zuvor in ihrem Zugabteil getroffen hatte. Da sie ihn merkwürdig fand, verließ sie das Abteil, um dann auf Xoan zu treffen. Auf eine merkwürdige Weise fühlt sie sich nun schuldig am Tod des Mannes.

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Einige Wochen danach erreicht Julieta ein Brief von Xoan, der ihr darin versichert, sie nicht vergessen zu können. Nun kennt sie seine Adresse und sucht ihn auf.

Jahre später, Julieta lebt mit Xoan und Tochter Antia zusammen, steht sie vor einer ähnlichen Situation. Nach einem Streit mit Xoan verlässt Julieta die Wohnung und kehrt erst zurück, nachdem Xoan mit seinem Boot aufs Meer hinausgefahren ist, obwohl die Wetterwarnungen eindeutig ein solches Vorhaben als lebensgefährlich eingestuft hatten. Tage später wird Xoans Leichnam gefunden. Erneut fühlt Julieta eine unerträgliche Schuld und zudem tiefe Trauer. Sie kann ihrer Tochter nicht die ganze Wahrheit sagen.

Schuld und Sühne?

Ist es diese Schuld, die die Tochter unbewusst spürt und die Antia veranlasst, mit 18 Jahren ihre Mutter zu verlassen und jeden Kontakt mit ihr abzubrechen?

Kurz bevor Julieta die Hoffnung aufgegeben hat, Antia jemals wiederzusehen, begegnet ihr auf der Straße Bea, eine Jugendfreundin der Tochter. Sie erzählt Julieta, Antia getroffen zu haben, die mittlerweile selbst Mutter geworden ist. Diese Mitteilung ändert mit einem Schlag die Pläne Julietas. Sie will nun nicht mehr nach Portugal, sondern kehrt in das Madrider Viertel zurück, in dem sie vor Jahren mit Antia gelebt hat. Sie sucht die Orte auf, die sie gemeinsam mit ihrer Tochter damals besucht hatte. Wird sie Antia jemals wiedersehen?

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In der neuen Wohnung des Viertels, in dem sie mit Antia zusammen wohnte, schreibt Julieta einen Brief an ihre Tochter. Foto © Tobis

Drei Kurzgeschichten der Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro stellen die Inspirationsquelle von Almodóvars Film dar. Dem Regisseur gelingt es, die Frauenfiguren präzise zu zeichnen. In ruhigen, langen Einstellungen und thematischen Wiederholungen zeigt der Film die dramatischen Wendepunkte des Lebenswegs der Protagonistin auf, die Schicksalhaftigkeit, die untrennbar mit ihren Entscheidungen und Handlungen verbunden ist.

Unverkennbar offenbart der Film auch eine Vorliebe des Regisseurs für die Filme Hitchcocks. Nicht nur Züge als Drehorte teilt Almadovar mit dem Meister des Kinos, sondern auch dessen lange Kameraeinstellungen, Wiederholungen und Motive. Wie Hitchcock lässt sich Almodóvar kurz in einer Filmszene einblenden. Dennoch trägt der Film deutlich die Handschrift des spanischen Regisseurs, der mit „Julieta“ ein schönes und eindringliches Frauenepos geschaffen hat.

Ab 4. Auguust im Kino

Alle Fotos © Tobis

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Ingrid
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