ELEANOR & COLETTE – eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft

Die ersten Szenen des Films sind schockierend. Denn sie zeigen eine sich wehrende, lamentierende, zerzauste Frau, die von mehreren Pflegern in einen Raum gezerrt, auf eine Liege bugsiert wird und dann eine intramuskuläre Spritze erhält. Erst jetzt verstummt die Frau, doch ihr Körper reagiert noch, er zittert und Eleanor Riese (Helena Bonham Carter) weiß, dass es sich dabei um eine der vielen Nebenwirkungen handelt, die sie durch die verabreichten Medikamenten erdulden muss. Sie ist in der Psychiatrie, weil sie an paranoider Schizophrenie leidet. Eleanore weiß zwar, dass sie Medikamente braucht, um ein eigenständiges Leben führen zu können. Aber sie kennt die Reaktionen ihres Körpers, ist eine Spezialistin, wenn es um Nebenwirkungen und die Dosierung ihrer Medikamente geht. Deswegen bittet Eleanor die Ärzte, die Dosierung mitbestimmen zu können. Doch sie wird weder erneut untersucht noch befragt, sondern darf das Krankenhaus nicht verlassen, obwohl sie sich hier freiwillig befindet.

Deshalb ruft Eleanor das Büro für Patientenrechte an und bekommt Kontakt zu der Anwältin Colette Hughes (Hilary Swank).

Hier beginnt die eigentliche Geschichte des Films, die auf einer wahren Begebenheit beruht.

Denn obwohl Eleanor psychische Störungen hat und durch die vielen Medikamenteneinnahmen auch körperlich krank geworden ist, hat sie dennoch einen starken Willen und einen unbeugsamen Gerechtigkeitssinn, der durch ihre tiefe religiöse Gläubigkeit noch übertroffen wird. Zudem ist Eleanor klug, sarkastisch und im höchsten Maße misstrauisch. Deswegen beäugt sie Colette zunächst auch so und fragt sie unverblümt, ob sie genug Erfahrung in diesem Job habe. Denn Eleanor will in der Konsequenz nichts weniger als das amerikanische Gesundheitssystem verklagen. Insbesondere bei der Behandlung von psychischen Störungen ist es in diesem nicht vorgesehen, den Patienten bei der Medikation mit einzubeziehen. Wer „nicht richtig im Kopf ist“,  hat sich eben unterzuordnen und zu schlucken, was ihm gegeben wird. Wer dagegen ankämpft, begibt sich in einen sehr ungleichen Kampf und braucht starke Verbündete und einen langen Atem.

Eleanor & Coleete während der Verhandlung im Gerichtssaal Foto: Warner Bros.

In Colette findet Eleanor eine Verbündete, deren Persönlichkeit im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen steht. Die Anwältin zeigt nur sehr selten Emotionen, ist ehrgeizig und arbeitet bis zum Umfallen. Colette stellt sich gemeinsam mit dem erfahrenen Verfassungsrechtler Cohen Mort dem nahezu aussichtslosen Verfahren.

Sie schaffen es, ihren Fall bis zum obersten Gerichtshof zu bringen. Und während des Kampfes für mehr Patientenrechte in der Psychiatrie werden die beiden Frauen zu Freundinnen.

Die ungleichen Frauen verbindet bald eine tiefe und herzliche Freundschaft. Foto Warner Bors.

Auch wenn der Film sehr eindringlich die schreckliche Realität der Patienten in der Psychiatrie in den USA der 1980er Jahren und ihre Macht- und Rechtlosigkeit zeigt, so ist er doch zu allererst die Geschichte einer Freundschaft zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Frauen.

Im gemeinsamen Kampf für mehr Selbstbestimmung und Menschlichkeit können beide ihre je eigenen Stärken beweisen. Eleanor wird in ihrer Ganzheit sichtbar, nicht nur als eine kranke Person, sondern als eine herzliche, witzige, willensstarke und kluge Frau. Colette erkennt an sich Facetten, die sie bisher verdrängt hat. Sie wird weicher und lebenslustiger. Beide geben sich Halt und haben voneinander gelernt, verändern sich …

In den Hauptrollen begeistern Helena Bonham Carter als Eleanor Riese und Hilary Swank als deren Anwältin Colette Hughes. Die beiden Schauspielerinnen schaffen es, tief in die Personen einzutauchen und verleihen ihnen große Authentizität. Ein Film über Menschlichkeit und echte Freundschaft, der zutiefst berührt.

Zudem zeigt er, dass es sich lohnt, für seine Überzeugung zu kämpfen. Mit viel Feingefühl und bewegenden Bildern vom Regisseur Bille August umgesetzt. Dem Drehbuchautor Mark Bruce Rosin verdankt der Film die kenntnisreiche Milieuzeichnung und die tiefen und komplexen  Charaktere.

Ein sehr sehenswerter Film. Ab 3.5. in den Kinos

Alle Fotos: Warner Bros.

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
Artikel: 3372

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.