Ein jazziges Wochenende mit Kraut Jazz Futurism

Jazz erfindet sich immer neu, so sagt man, und während in England und den USA Konzerte von Künstlern wie Ezra Collective, BadBadNotGood oder Kamasi Washington breite Aufmerksamkeit erhalten, hat kaum jemand bemerkt, dass auch in Deutschland eine junge Generation von Musikern an neuen Formen des Jazz bastelt. „Kraut Jazz Futurism“ versammelt nun diese 17 interessantesten neuen deutschen Künstler.

Im Vordergrund steht der Vibe von jungen Musikern, die mit der elektronischen Dancekultur aufgewachsen sind, klassisches Instrumentarium beherrschen und eine breite musikalische Prägung genießen.

Eine Jazz-Formation dieser Generation haben wir bereits vorgestellt. Shake Stew mischt erfolgreich in dieser frischen, unverkopften Szene junger Bands mit. Sie haben den klassischen Jazz als musikalisches Erbe verinnerlicht, jedoch ist ihr Jazz ein Mix aus Krautrock, zeitgenössischer klassischer Musik oder Electronica-Elementen.

Eine enge Kooperation mit den beiden führenden deutschen Crossover-Jazzfestivals, dem Berliner XJazz und dem Hamburger Überjazz, bringt das Phänomen auch auf die Bühne. An diesem Wochenende auf dem Überjazz im Hamburger Kampnagel wurde „Kraut Jazz Futurism“ anlässlich der Veröffentlichung offiziell gelauncht.

Mathias Modica, der mit seinem Gomma Label und Produktionen mit Peaches, James Murphy, Munk und Whomadewho vor ein paar Jahren für die Indiedisco-Welle mitverantwortlich war, hat extra für dieses neue deutsche Jazz-Phänomen ein Label gegründet: Kryptox. Eine Art deutsche Version von Brainfeeder oder Brownswood Records. Drei Alben sind zudem released worden: Von Stimming x Lambert, JJ Whitefield, Ralph Heidel.

Unterstützung fand das Projekt auch bei K7! Records, deren Boss Horst Weidenmüller und Team die Kryptox-Idee und Compilation so gut gefielen und eingestiegen sind. Die meisten der Stücke auf dieser Compilation sind unveröffentlicht oder waren bisher nur auf Bandcamp oder kleinen Vinylauflagen erhältlich.

Kraut Jazz Futurism ist eine Compilation mit den 17 interessantesten neuen deutschen Künstlern, die dem Jazz einen zeitgenössischen Vibe verleihen.

Genre: Jazz / Electronica
Release Date: 01.11.2019
Label: Kryptox Records / Gomma Records
Vertrieb: K7! Records
Format: Digital, CD, 2LP

Singles
Karl Hector & The Malcouns – Orange Man
Keope – A Night In Bacalar

Tracklist

  1. Karaba – Der Inder *
  2. Salomea – Magnolia Tree
  3. David Nesselhauf – Space Station
  4. Shake Stew – Shake The Dust
  5. Karl Hector & The Malcouns – Orange Man *
  6. Stimming x Lambert – The Little Giant *
  7. Sissi Rada – Acrasian Beat *
  8. C.A.R. – Dick Schaffrath
  9. Andromeda Mega Express Orchestra – J Schleia
  10. Oracles – That Was I
  11. Onom Ogemo and the Disco Jumpers – Liquid Love °
  12. Torben Unit – Free (Get Your Self Together) °
  13. J. J. Whitefield – 14/ 08
  14. Niklas Wandt – Balanphontanz in drei Schüben *
  15. Ralph Heidel // Homo Ludens – The Flood
  16. Keope – A Night In Bacalar *
  17. Toresch – El Fuego °
  • Previously unreleased
    ° Previously only available on Bandcamp or vinyl
    All music recorded 2017 – 2019
    Compiled & produced by Mathias Modica

Shop und Streaminglink: https://kryptox.lnk.to/krautjazzfuturism


Die Künstler – Kraut Jazz Futurism

JJ Whitefield / Karl Hector & The Malcouns

Der Münchner Gitarrist und Bandleader hat schon länger eine weltweite Fanbase für seine Experimente zwischen Afrobeat und Krautrock. Seine vorherigen Projekte Poets of Rhythm, Whitefield Brothers, Rodinia sind auf Ninjatune, Stones Throw, Now Again veröffentlicht worden. Er war musikalischer Leiter der Ebo Taylor Band und hat mit US-Größen wie DJ Shadow und den Daptones gearbeitet. Auf Jazz Kraut Futurism ist er mit seiner Afrokraut Band Karl Hector und seinem neuen Punk-Jazz Soloprojekt JJ Whitefield vertreten.

SALOMEA

Ihre Musik ist konstante Entwicklung: Mit ihren langjährigen Bandkollegen Yannis Anft (keys), Oliver Lutz (bass) und Leif Berger (drums) kreiert die Deutsch-Amerikanerin Rebekka Salomea Songs am Zahn der Zeit, geformt aus exzentrischen Beats, modernem Sounddesign und facettenreichen Vocals. So haben sich SALOMEA seit ihres fünf jährigen Bestehens eine eigensinnige Klangsprache erarbeitet. Die Band teilte sich bisher Bühnen mit Künstlern wie Jamie Cullum und KNOWER, spielte europaweit und über die Grenzen hinaus auf Festivals wie Jazzablanca Marokko, Moers Festival, c/o Pop, Acht Brücken, Zugvögel, Avignon Jazzfestival.

Ralph Heidel

Der 24jährige Heidel hat an der Musikhochschule München Saxophon und Komposition studiert und ist seit seinem Umzug nach Berlin in der dortigen Elektronik und Crossover Jazz-Szene aktiv. U.a. spielt er im Ensemble von Carlos Cipa. Heidel’s Debutalbum erschien 2019 auf Kryptox. Hochemotionale Musik – geschrieben für ein achtköpfiges Ensemble. Kammermusik trifft Jazzband. Irgendwo zwischen Olafur Arnalds, Boards of Canada und John Zorn.

C.A.R.

Vier junge Musiker, die in Köln Jazz studiert haben, sich dann aber mit der Musik von Can, Cluster, Aphex Twin und Squarpusher beschäftigten und einen eigenen, sehr hypnotischen Sound kreiert haben. Die Band hat Indien, China und Pakistan bereist und mit lokalen Bands gespielt und deren Sound „studiert“ – was ihre eigene Musik sehr geprägt hat. Auch diese Band hat schon eine große Fangemeinde.

Sissi Rada

…ist eine in Berlin lebende Harfenistin, die am Conservatorium van Amsterdam und der UdK Berlin studiert hat und jetzt Avantgarde Projekte zwischen E Musik, Jazz, Underground Theater und Electronica macht. Sie spielt im Ensemble von David August, aber auch bei Teodor Currentzis‘ musicAeterna. Rada wird 2020 ein Album auf Kryptox veröffentlichen. (Co-produziert von Mouse on Mars. Mit Jazzmusikern aus der Berliner Szene.)

Torben Unit Band

…ist die Band um den Berliner Produzenten, DJ und Bassisten Max Graef. Einer der wenigen deutschen Künstler, die auf Ninja Tune veröffentlichen. Graef wird weltweit für einen neuen deutschen Sound gefeiert, der Hip Hop, Funk und Psychadelic neu kombiniert und wurde die letzten Jahre auf viele relevanten internationalen Festivals eingeladen. (Die Band hat sich gerade in 2Morph umbenannt.)

Karaba

…ist eine junge Münchner Band, die den Sound von legendären Münchner Ethno- Krautrock Bands wie Popol Vuh, Embryo und Amon Düül verinnerlicht hat und mit Einflüssen von Spiritual Jazz, Afro, Trance und Psychadelic vermischt. Vibraphon spielt Marja Burchard – Tochter des Embryo-Gründers Christian Burchard.
Die Band hat zwei Vinylalben im Selbstvetrieb veröffentlicht und schon einen gewissen „Kultstatus“.

Keope

…sind Toni Bruna und Marcus Rossknecht, die bisher mit zwei Veröffentlichungen auf Bigamo Records in Erscheinung getreten sind, dem neuen Experimental Label von Frank Wiedemann (AME/ Innervisions). Keope produzieren ihre von Kraut, Elektronik und psychedelischem Jazz inspirierte Musik mit einem portablen Studio in der freien Natur – an ungewöhnlichem Orten wie z.B. einem verlassenen Kloster in Slowenien.

Niklas Wand

Percussionist, Komponist, Produzent aus Berlin, der erst mit Jazz und Psychadelic-Bands wie Stabil Elite und Oracles in Erscheinung getreten ist. Seit er mit der Düsseldorfer Salon des Amateurs-Crew kooperiert, hat er sich der Elektronik geöffnet und verbindet percussive Elektronik mit Jazz und afrikanisch inspirierter Musik. Dabei spielt er teilweise auf selbstgebaute Instrumenten ein. Seine beiden letzten Projekte fanden weltweit große Beachtung: „Wolf Müller & Niklas Wand: Instrumentalmusik aus der Mitte der Welt“ (mit Jan Schulte/ Bufiman) und seine Band Neuzeitliche Bodenbeläge.

Toresch

…kommen auch aus dem Salon des Amateurs-Umfeld in Düsseldorf und haben auf Vladimir Ivkovic’s Label Offen Music veröffentlicht. Teil der Band ist Detlef Weinrich, der auch zu Kreidler gehört und unter dem Namen Toulouse Low Trax produziert. Live vermischen Toresch experimentelle Musik mit Visuals.

Andromeda Mega Express Orchestra (AMEO)

Die experimentelle Berliner Big Band um den Saxophonisten Daniel Glatzelt besteht aus 18 Musikern, die teilweise bei bekannten anderen Projekten spielen: Tony Allen’s Afrobeat, Kenny Wheeler Band, Ensemble Intercontemporain und The Notwist.
AMEO selber haben u.a. Projekte mit dem Brasilianer Hermeto Pascoal oder dem Latvian Chamber Orchestra Riga gemacht. Sie haben auf dem Album The devil, you & me von The Notwist große Instrumentalparts eingespielt und werden im Herbst 2019 im Berliner Club Berghain eine audio-visuelle Performance machen.

Shake Stew

Die Band um den Wiener Saxophonisten Lukas Kratzelbinder wurde für ihr Debut Album The Golden Fang (2016) international gelobt („..a psycho-energetic masterpiece“) und daraufhin auf Festivals wie dem Montreux Jazz Festival und dem North Sea Jazz Festival eingeladen. Der Londoner Jazz Star Shabaka Hutchings ist Fan der Band und war auf dem zweiten Album (Rise and Rise again) als Gast dabei.

Stimming x Lambert

Der Hamburger Martin Stimming ist einer der bekanntesten deutschen Electronica Musiker. Seine Produktionen auf Solomun’s Dynamic Label und seine Live Performances werden international gefeiert. 2018 beschloss er, musikalisch neue Wege zu gehen und tat sich mit dem Berliner Pianisten Per Lambert zusammen. Auf ihrem Debutalbum Exodus (Kryptox 2018) erschaffen sie eine eigene neue Soundwelt, bei der Stimming die impressionistisch-jazzigen Klaviermotive Lamberts durch Verzerrungen, Halleffekte, spaciges Soundesign und Noiseelemente manipuliert, dekonstruiert und neu komponiert.

Onom Agemo & The Disco Jumpers

… ist eins der vielen Projekte des Berliner Saxophonisten Johannes Schleiermacher. Schleiermacher ist eine der zentralen Figuren der neuen Crossover Jazz Szene. Er spielt auch bei Andromeda Mega Express Orchestra, JJ Whitefield und Shake Stew mit. Die Musikern von Onom Agemo haben lange in Marokko und Westafrika gelebt, wo sich die Band mit den dortigen Sounds (Gnawa) beschäftigt und viele Konzerte mit teil namhaften lokalen Musikern gespielt hat. Was der Musik der Gruppe diesen ganz speziellen Atmospäre verleiht.

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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