Echo des Schweigens von Markus Thiele

Der letzte Prozesstag – der Tag, an dem die Plädoyers gesprochen werden. Für Hannes Jansen und den Angeklagten soll es der Tag sein, an dem der Freispruch für den Angeklagten ausgesprochen wird – vom Mord an einen Asylbewerber, den der Polizeibeamte nicht begangen haben will. Obwohl ein neuerliches Guthaben zweifelsfrei erwiesen hat, dass eine Selbstentzündung in diesem Fall nicht möglich sein kann.

Rechtsmedizinerin Sophie Tauber, hat damit die Unschuld von Jansens Mandant in Frage gestellt. Doch kurz bevor Jansen sein Plädoyer halten kann, eilt seine Rechtsreferendarin mit einem Buch in der Hand in den Gerichtssaal. Und Jansen lässt den Prozess für mehrere Stunden vertagen.

Deutschland 2017 – ein Jahr zuvor: Sophie Tauber fährt in die Schweiz. Ihre Mutter ist gerade ihrem Krebsleiden erlegen. Nun warten auf die Tochter der endgültige Abschied und viele Formalitäten, die zu erledigen sind. Ihr Chef, Institutsleiter Professor Bender, hat ihr soeben mitgeteilt, dass auf Grundlage ihres Gutachtens der Fall um den Mord an den Senegalesen wiederaufgerollt wird. Der angeklagte Polizeibeamte befindet sich in Untersuchungshaft. Eine gute Nachricht. Doch überwiegend ist das Gefühl der Trauer, die Sophie empfindet. Und dass sie ihre Mutter niemals mehr über ihren Vater ausfragen kann. Doch sie erhält einen Brief, den die Mutter ihr zurückgelassen hat; zudem Hinweise, wer ihr Vater war.

Eine Schweigeminute für jedes Opfer des Holocoust und es herrschte elf Jahre weltweit Stille

Deutschland 1942: Sophies Großmutter Lea ist Hausdame des besten Hotels der Stadt. Sie ist gerade Mutter eines Mädchens gworden. Der Vater des Kindes ist Carl, der Mitbesitzer einer großen Getränkefabrik in Braunschweig. Sie wollen beide weg aus Nazi-Deutschland. Carl bringt das Baby in Sicherheit, doch Lea wird in einem Lastwagen abtransportiert und in ein KZ verfrachtet. Sie sind aufgeflogen, verraten von Carls Bruder Heinrich, der nun Alleinbesitzer der Firma ist. Carl wird vor Gericht gestellt. Der Familienanwalt will helfen und sich an die Schweigepflicht halten, doch es kommt nicht dazu. Unter Druck lässt er sich als Zeuge einbinden und verrät, dass Carl mit der Jüdin Lea ein Kind hat.

Deutschland 2018: Der Prozess gegen den Angeklagten, der mutmaßlich einen Asylanten angezündet haben soll, endet mit einem Freispruch. Der Strafprozessanwalt hat die Beweislage gegen den Angeklagten als nicht ausreichend befunden, das Gericht ist ihm gefolgt. Jansen hat auf Grundlage des Gesetzes und der Rechtslage richtig gehandelt, doch sein Gewissen sagt etwas anderes. Nun hat seine gerade begonnene Beziehung zu Sophie einen bedeutenden Knacks bekommen. Sophie, die das Gutachten geschrieben hat, kann nicht verstehen, wie Hannes so handeln konnte. Warum hat er den Fall nicht abgegeben, wenn er an der Unschuld des Angeklagten zweifelte?

Und Sophie hat noch etwas anderes über sie beide herausgefunden. Ihre Familiengeschichten sind eng miteinander verbunden. Hat ihre Beziehung eine Chance?

Geschickt, einfühlsam und packend erzählt, gelingt es dem Autor, Markus Thiele, vergangenes Unrecht aus der NS-Zeit und gegenwärtiges zu verknüpfen und ein fesselndes Justizdrama zu entwerfen, das wichtige Fragen aufwirft: Sind Recht und Gerechtigkeit vor Gericht voneinander trennbar? Wie viel Schuld kann ein Mensch tragen?

Der Roman zeigt auf der Grundlage eines wahren Falles, wie Indizien und fehlende Beweise ein Verbrechen ungesühnt lassen können. Und politische und gesellschaftliche Zustände einer Demokratie sich auch in dem Willen spiegeln, wie mit dem Recht jedes einzelnen Menschen umgegangen wird.
Das zeigt der Autor und Rechtsanwalt Markus Thiele äußerst eindringlich in seinem Roman „Echo des Schweigens“. Ein tiefgründiges und hochaktuelles Buch – unbedingt lesenswert!

Echo des Schweigens – Markus Thiele

ISBN-13 9783710900914
408 Seiten
Verlag: Benevento

Markus Thiele ist Schriftsteller und Rechtsanwalt und kennt den Gerichtssaal mit all seinen Facetten. Gekonnt verwebt er in seinem Roman Fiktion und Realität am Beispiel eines wahren, bis heute ungeklärten Kriminalfalls. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt in Göttingen.

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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