Die Schule am Meer von Sandra Lüpkes

Anni Reiner und ihr Mann Dr. Paul Reiner haben eine Vision. Sie wollen nach reformpädagogischen Prinzipien eine Schule aufbauen. Als Ort können sie sich nichts Besseres als die Insel Juist vorstellen. Man schreibt das Jahr 1925 und die Kriegsjahre sind noch spürbar. Die beiden Idealisten haben einen kleinen Kreis ähnlich denkender Lehrer um sich geschart. Die Vorstellung, mit Schülern gemeinsam zu leben, ohne Hierarchien und strenge Regeln, ist für alle hochmotivierend. Ein ganz besonderes Internat soll entstehen, mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und einer Theaterhalle.

Doch die Insel stellt für Menschen, die dort nie gelebt haben, eine Herausforderung dar. Und bald müssen sich die Gründer eingestehen, dass sie vieles einfach nicht richtig eingeschätzt haben. Zum Glück treffen sie auf Insulaner, die ihnen helfen. Wie die resolute Kea, die einen wertvollen Tipp gibt und deshalb in der Küche des Internats eine Stelle findet.

Die Schüler kommen aus vielen unterschiedlichen Gegenden, und Alexander, auch Moskito genannt, stammt sogar aus Südamerika. Und wenn es ihm auch besonders schwerfällt, die morgendlichen Tauchbäder in der Nordsee zu absolvieren, hat er sich schnell Freunde und wichtige Aufgaben in seiner Gruppe gesichert.

Das Leben ist zwar hier schwieriger als auf dem Festland, dafür aber auch viel interessanter, finden die meisten Schüer*innen. Auch Marje gefällt es hier. Ihre Eltern können sich eigentlich das Schulgeld nicht leisten. Doch ihre Patentante Kea hat es geschafft, dass es auch ohne geht. Die Finanzen sind auch immer wieder Grund für Sondersitzungen. Gut, dass Anni über private Ressourcen verfügt. Bald machen sich im Dorf Gerüchte breit, dass die Schule von einer Jüdin geführt wird. Es kommt zu Spannungen zwischen den Lehrkräften. Die Schule ist als Hort für Juden und Kommunisten verschrien.

Im katastrophalen Eiswinter von 1929 ist die Insel wochenlang von der Außenwelt abgeschlossen. Paul Reiner erkrankt schwer und muss schnell in eine Klinik gebracht werden. Rechtsradikale Gesinnungen zeigen sich auch auf der Insel immer deutlicher, und Anni muss schwer kämpfen, um für ihren Mann einen Hubschrauber zu organisieren. Wird sich die Schule halten können, ohne ihre Unabhängigkeit, ihre liberale und offene Geisteshaltung einzubüßen?

Die Autorin Sandra Lüpkes hat mit ihrem Roman „Die Schule am Meer“ eine wahre Geschichte aufgegriffen. Meisterhaft erweckt sie mit ihrem lebendigen und packenden Erzählstil die Schule wieder zum Leben. Zahlreiche schöne und aufregende Episoden zeigen, wie spannend, aber auch aufreibend sich das Leben der Lehrer und Schüler durch die anspruchsvolle, mit viel Leidenschaft ausgeführte pädagogische Aufgabe gestaltet haben muss.

Ein schöner, gut recherchierter und sehr lesenswerter Roman, der insbesondere jetzt zum Nachdenken anregt!


Die Schule am Meer Autorin: Sandra Lüpkes

Verlag: Kindler

576 Seiten
ISBN: 978-3-463-40722-7

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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