Die Filmkritik: Knives Out – Mord ist Familiensache

Ein rätselhafter Todesfall, eine patriarchalische, dysfunktionale Familie, deren Mitglieder sich nicht ausstehen können und ein Meisterdetektiv, der gediegenen Tweed trägt, dicke Zigarren pafft und unangenehme Fragen stellt.  Rian Johnsons Film KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE ist eine herrlich unterhaltsame Hommage an die Kriminalromane von Agatha Christie und ganz großes Unterhaltungskino.

Knives out
Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist tot

Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist tot. Seine Haushälterin (Edi Patterson) findet den erfolgreichen Krimiautor am Morgen nach der Feier zu seinem 85. Geburtstag mit durchgeschnittener Kehle und einem Messer in der Hand. Alle Umstände deuten zunächst auf Selbstmord hin, doch es gibt einige Fragen. Wer schneidet sich schon die eigene Kehle durch? Zwei Polizisten ermitteln im stattlichen Anwesen Thrombeys, nur um auszuschließen, dass nichts übersehen wurde, und befragen deshalb die Familienmitglieder. Und die sind alle irgendwie verdächtig; keiner von ihnen hat ein lückenloses Alibi.  

Vielleicht hat Ransom (Chris Evans) den Alten umgebracht, der Enkel des Verstorbenen und das schwarze Schaf der Familie. Immerhin hatte man ihn in der Nacht laut mit seinem Großvater streiten hören.  Oder was ist mit dem immer etwas wehleidigen Sohn Walt (Michael Shannon), der mit mäßigem Erfolg den Verlag führt, der die Bücher Thombeys herausgibt und dessen verlegerisches Schicksal von der Gunst des Vaters abhing? Dann wäre da Linda (Jamie Lee Curtis), die älteste Tochter Thrombeys, eine scheinbar erfolgreiche, aber kaltherzige Geschäftsfrau, die den Tod des Vaters offenbar für eine exzentrische Selbstinszenierung hält. Sie ist mit dem schnöden Widerling Richard (Don Johnson) verheiratet, der es im Leben nicht weit gebracht hat, aber gerne anderen Frauen nachsteigt und mit seinen rassistischen Äußerungen nicht hinter dem Berg hält. Merkwürdig wirkt auch die verwitwete Schwiegertochter Joni (Toni Colette), die sich für einen Selbsthilfeverein engagiert, sich aber vor allem gerne selbst hilft, indem sie den Alten abzockte.

Marta Cabrera (Ana de Armas) Foto: Universum Film

Nur Marta Cabrera (Ana de Armas), Harlans Krankenschwester und enge Vertraute, die sich jedes Mal erbrechen muss, wenn sie lügt, erscheint über jeden Verdacht erhaben.

Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) ermittelt. Foto: Universum Film

Möglicherweise wären die Ermittlungen schon längst abgeschlossen, hätte nicht jemand den berühmten Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) beauftragt, den Todesfall zu untersuchen. Blanc ist sich nicht sicher, wer ihn angeheuert hat, denn er hat nur einen Umschlag mit Bargeld und der Nachricht über den Selbstmord erhalten.  Also denkt jemand, dass Thrombey eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Doch wer? Und warum?

Die Geschichte ist so verschachtelt wie die verwinkelte spätviktorianische Villa, in der sie spielt. Mit ihren dunklen Ecken, knarrenden Treppen, verdeckten Fenstern  und einem wahrhaft klaustrophobischen Labyrinth an Räumen, die, vollgestopft mit ihren Tiertrophäen,  Lachmasken, exotischen Kunstobjekten und raumhohen überbordenden Bücherregalen, an ein riesiges Kuriositätenkabinett erinnern. 

Das Drehbuch ist durchdacht und spielt clever mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, indem es ihm immer wieder scheinbar plausible Hinweise auf die Lösung serviert, die dann durch unerwartete Wendungen Verwirrung erzeugen und ihn bis zum Schluss im Dunkeln lassen, wer Harlan Thrombey ermordet hat und warum. Die Dialoge sind geistreich und geschliffen. Die Besetzung ist hochkarätig, allen voran Daniel Craig in der Rolle des Privatdetektivs Benoit Blanc und Jamie Lee Curtis als Harlan Thrombeys Tochter Linda. 

Gleichzeitig ist der Film mehr als eine Kriminalkomödie, weil er einen bissigen Blick auf den aktuellen Zustand der US-Gesellschaft und die unsägliche Flüchtlingspolitik Donald Trumps wirft. Obwohl dessen Namen nicht genannt wird, sind die zahlreichen kritischen Hinweise auf seine Vita unverkennbar. Nachdem beispielsweise ein Familienmitglied behauptet, sein Geschäft von Grund auf selbst aufgebaut zu haben, erwidert jemand, dass es mit einem Millionen-Dollar-Darlehen von Harlan begann. Kommt einem irgendwie bekannt vor.

Rian Johnsons Regiearbeit KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE gehört zum Besten, was das Kino derzeit zu bieten hat.

Alle Fotos: (c) Universum Film

Standardbild
Hans Kaltwasser
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