Der andere Liebhaber von François Ozon

François Ozon ist ein umtriebiger Regisseur. Jährlich produziert der Franzose mindestens einen Film. Dabei versucht er sich stets in anderen Genres, sei es intimes Drama, Melodrama, Komödie, Krimi, Musical, Film Noir, Thriller oder Kostümfilm. Mit SWIMMING POOL wurde er 2003 erstmals in den Wettbewerb von Cannes eingeladen. Nach JUNG &SCHÖN ist DER ANDERE LIEBHABER der dritte Film, mit dem Ozon im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes vertreten war.

Der andere Liebhaber ist ein fesselnder Psychothriller, bei dem der Regisseur sich lose an den Roman „Lives of the Twins“ (dt.: „Der Andere“) von Joyce Carol Oates anlehnt, die er für ihren präzisen Schreibstil, ihre scharfe psychologische Beobachtungsgabe, ihre komplexen Figuren und ihre intelligente Erzählweise bewundert.

Im Zentrum des Films steht die junge und attraktive Chloé, und die ersten Bildszenen zeigen sie in einem Friseursessel sitzend. Mit stoischem Blick lässt sie sich eine lange Haarstähne nach der anderen kürzen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Beziehung zu Ende gegangen ist. Nicht wenige Frauen wollen mit einer veränderten Frisur auch ihrem Leben eine andere Richtung geben. Am Ende der Prozedur wirkt  Chloé androgyner, aber nicht weniger schön. Und sie leidet weiterhin an ungeklärten Bauchschmerzen, für die es zunächst keine klinischen Hinweise auf eine ernsthafte Erkrankung gibt. Deshalb sucht sie auf Anraten ihrer Ärztin einen Psychotherapeuten auf. Nach nur wenigen Sitzungen bricht der sympathische Paul die Therapie ab. Er hat sich in Chloe verliebt und als Psychotherapeut ist er verpflichtet, nicht weiter zu behandeln. Da sich auch Chloe stark zu Paul hingezogen fühlt und ihre Symptome nahezu verschwunden sind, zieht sie mit ihm zusammen.

Paul und Chloe sind jetzt zusammen. Doch vertraut sie ihm? © 2017 – MANDARIN PRODUCTION – FOZ – MARS FILMS – FILMS DISTRIBUTION – FRANCE 2 CINÉMA – SCOPE PICTURES / JEAN-CLAUDE MOIREAU

Die psychischen Probleme Chloés sitzen jedoch tief. Sie verhält sich misstrauisch und glaubt zu spüren, dass Paul ihr etwas verheimlicht. Durch Zufall sieht sie aus einem Bus heraus einen Mann, den sie für Paul hält und der sich mit einer attraktiven Frau unterhält. Um Klarheit zu bekommen geht sie zu diesem Gebäude und stellt fest, dass es dort ebenfalls einen Psychotherapueten mit gleichem Nachnamen gibt. Sie vereinbart einen Termin und ist geschockt über das identische Aussehen des Mannes mit ihrem Paul. Was wird hier gespielt? Ein Doppelgänger, ein raffiniertes Spiel oder eine Halluzination?

Chloe und Louis – äußerlich nicht von Paul zu unterscheiden, ist Louis doch ganz anders. © 2017 – MANDARIN PRODUCTION – FOZ – MARS FILMS – FILMS DISTRIBUTION – FRANCE 2 CINÉMA – SCOPE PICTURES / JEAN-CLAUDE MOIREAU

Es bleibt nicht bei einer ersten Therapiesitzung, sondern Chloé verfällt dem besitzergreifenden Louis, der genau das Gegenteil von Paul ist und es versteht, ihre leidenschaftliche Seite hervorzulocken. Oder ist es doch Paul, der als Alter Ego nur ihre heimlichen Wünsche bedient, um sie nicht zu verlieren?

Ist Louis doch Paul und will als Alter Ego Chloes heimliche Wünsche befriedigen?

Zwillinge sind, wie man weiß, aufgrund ihrer genetischen Identität äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden. Von daher genießt dieses Motiv höchste Beliebtheit als literarischer oder filmischer Dreh- und Angelpunkt.

Raffiniert und stilistisch hervorragend bedient sich auch der Regisseur dieser Metapher und täuscht nicht nur Chloe, sondern auch die Zuschauerin/ den Zuschauer, spielt und leitet in die Irre und versteht es dabei hervorragend zu unterhalten. Der Film überrascht und fesselt bis zum Schluss!

DER ANDERE LIEBHABER
Regie: François Ozon
Darsteller: Marine Vacth, Jérémie Renier, Jacqueline Bisset, Myriam Boyer, Dominique Reymond
Produktionsländer: Frankreich, Belgien
Produktionsjahr: 2017
Lauflänge: 107 Minuten
Kinostart: 18. Januar 2018
FSK: Ab 16 Jahren

Fotos: © 2017 – MANDARIN PRODUCTION – FOZ – MARS FILMS – FILMS DISTRIBUTION – FRANCE 2 CINÉMA – SCOPE PICTURES / JEAN-CLAUDE MOIREAU

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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