Das Meer der Libellen von Yvonne Adhiambo Owuor

Das Meer umgibt die kleine Insel Pate, die vor der Küste Kenias liegt. Sie ist kaum auf einer Landkarte auszumachen, aber Heimat der siebenjährigen Ayaana, auf die das Meer eine große Anziehungkraft ausübt. Wo andere die gewaltige und manchmal bedrohliche Kraft, die flüssiges Konsistenz des Meeres fürchten, scheint Ayaana dort Beständigkeit, ja Festigkeit zu verspüren. Täglich geht sie zu ihrem Meer und beobachtet am Hafen die Heimkehrer.

Sie hofft, dass eines Tages ihr Vater, von dem sie nichts weiß, nur, dass es ihn ja geben muss, unter diesen Passagieren ist und die Insel betritt. Ihre Mutter Munira hat das Geheimnis um ihren Vater bisher nicht gelüftet, und so sucht sich Ayaana eines Tages ihren Vater selbst aus. Es ist der Matrose Muhidin, der selbst ins Meer vernarrt ist, jede Strömung und Unterströmung, jeden Wind und Sturm, jeden Wetterumbruch kennt. Muhidin wehrt sich zunächst, doch dann ist er der kleinen Ayaana verfallen, ihrer Neugier und ihren vielen Fragen. Er unterrichtet sie, formt sie und verlässt sie irgendwann.

Ihre Mutter, die einen Schönheitssalon besitzt, bemerkt, dass nicht nur sie Ayaana zu einer schönen jungen Frau heranwachsen sieht. Beinahe begeht sie einen folgenschweren Fehler, als ein schwerreicher Mann ihr viel Geld anbietet und Ayaana eine schillernde Zukunft verspricht. Dafür verlangt er mehr als Ayaana bereit ist zu geben. Religiöse Extremisten , die auf Pate geraten, sorgen für Veränderungen. Zudem sucht ein schrecklicher Tsunami, der zerstörende Kräfte entwickelt, die Insel heim.

Schließlich wird Ayaana von Kulturbotschaftern aus China zur Nachfahrin auserwählt. Sie erhält ein Stipendium und darf in China studieren. Diese Überfahrt entführt sie im gleichmäßigen Rhythmus des Schiffes in die unbekannte Kultur und Sprache des Gastlandes, lässt sie sich selbst finden. Doch China ist nicht der einzige Ort, den sie auf ihrer Reise kennenlernt.
Aber immer hört sie die Stimme ihres Meeres, das auf Pate so klingt wie nirgendwo sonst.

Der Roman betört durch seine zarte, blumige und brillante Erzählweise, die manchmal dahinschwebt wie die durchsichtigen Libellen. Die Autorin beschreibt die vielfältige und atemberaubende Schönheit der Insel, das Meer und ihre Bewohner. Yvonne Adhiambo Owuor navigiert uns durch verschiedene Welten und zwischen dem naturverhafteten, mythischen Denken und der modernen Welt klafft plötzlich keine große Lücke mehr, denn die epische Geschichte füllt sie aus, hält sie durch die anziehende und intelligente Protagonistin zusammen. Ein berührender und starker Roman über die Kraft der Imagination, über Liebe und Verlust.

Der Roman „Das Meer der Libellen“ ist im Dumont-Buchverlag erschienen
Autorin: Yvonne Adhiambo Owuor
Übersetzung aus dem Englischen von Simone Jakob
ISBN 978-3-83218114–7

Yvonne Adhiambo Owuor wurde 1968 in Kenia geboren. Ihre Kurzgeschichten erschienen in internationalen Literaturmagazinen. 2003 wurde sie mit dem Caine Prize for African Writing ausgezeichnet. Ihr Debütroman ›Der Ort, an dem die Reise endet‹ (DuMont 2016) stand auf der Shortlist für den Folio Prize, außerdem erhielt sie dafür den Jomo Kenyatta Prize for Literature. ›Das Meer der Libellen‹ ist ihr zweiter Roman. Yvonne Adhiambo Owuor lebt in Nairobi.

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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