Das Haus der zwanzigtausend Bücher 

Mit seinem Großvater konnte Sasha Abramsky als Kind vor allem eins verbinden – ein Haus voller Bücher. Doch damals wusste er noch nicht, wie außergewöhnlich diese Ansammlung von Büchern wirklich war. Schon die frühesten Kindheitserinnerungen des Enkels kreisten um diese Bücher, die sogar im Schlafzimmer der Großeltern jeden Winkel und jede Ecke einnahmen und unheimliche Schatten an die Wände warfen. Auch glaubte er, geprägt durch dieses Haus seiner Großeltern, dass „alte Menschen“ ausnahmslos in solchen Bücherhäusern wohnten, er empfand dies als normal. Der Enkelsohn Sahsa hatte aber nicht nur diese Bücher als normal empfunden, sondern auch die vielen Besuche und gesellschaftlichen Ereignisse, die im Haus und um die Großeltern herum stattgefunden hatten. Stoff genug, um, als der Großvater schließlich hochbetagt starb, ein Buch zu schreiben, über Chimen Abramsky und seine geschätzten zwanzigtausend Bücher.

Und dem Leser eröffnet sich darum auch mehr als ein Einblick in das Leben eines exzentrischen Büchersammlers. Vielmehr bietet das biografische Werk einen Blick in die frühen Jahre bis zum Ende des 20. Jahrhunderts mit seinen politischen und sozialen Umwälzungen, die Krieg,Vertreibung und politische Entscheidungen hervorriefen und auch das Leben des selbst hoch politischen Menschen Chimen Abramsky beeinflussten. Denn er war nicht nur ein Büchersammler, sondern belesen und neugierig. Nachdem er sein Studium in Palästina nicht antreten konnte, blieb er in London und betrieb einen Buchladen mit seiner Frau Mimi, in dem es neben jüdischer Literatur auch religiöse Gegenstände und allerlei Zubehör für jüdische Zeremonien gab. Selbst Jude, konnte er jedoch den religiösen Eifer seines Vaters, der gleich nebenan in der jüdischen Synagoge lehrte, nicht teilen. Sein Interesse galt der kommunistischen Partei und lange Zeit war er Parteimitglied in der kommunistischen Partei Englands. Bis er schließlich desillusioniert und enttäuscht erkannte, dass dieser Weg, den die Mutterpartei in der Sowjetunion eingeschlagen hatte, falsch war. Er trat aus der Partei aus, doch für Karl Marx – Philosoph und Wegbereiter der kommunistischen Bewegung – hegte er zeitlebens große Bewunderung. Er sammelte seltene authentische Dokumente von ihm und über ihn.

Herr im Haus der zwanzigtausend Bücher

Chimen arbeitete für Sotheby’s in London und wurde schließlich, obwohl er keinen akademischen Grad erlangte, Dozent am University College London im Fachbereich judaistische Geschichte. Er war sehr stolz, und da er rhetorisch sehr begabt war und über ein phänomenales Gedächtnis verfügte, gestalteten sich seine Vorlesungen höchst umfassend und lehrreich.
Das Haus am Hillway blieb sehr lange ein geselliger Ort, an dem endlose Diskussion geführt und die Gäste mit den leckersten Speisen verwöhnt wurden. Außerdem war es ein Treffpunkt vieler Intellektueller aus aller Welt, und das Wichtigste, es beherbergte die bedeutendste Privatbüchersammlung Englands.

Sasha Abramskiy hat die ungewöhnliche Lebensgeschichte seines Großvaters aufgeschrieben, der, würde er noch leben, es ohne weiteres in die Reihe der zwanzigtausend Bücher aufgenommen hätte. Ein sehr unterhaltsames, auch lehrreiches und aufschlussreiches Buch für neugierige Bücherfans.

Das Haus der zwanzigtausend Bücher
von Sasha Abramsky

Mit einem Nachwort von Philipp Blom
Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter

ISBN 978-3-423-28062-4
Verlag: dtv

Sasha Abramsky, geboren 1972 in England, wuchs in London auf und studierte Politik, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in Oxford. Anschließend nahm er an der New Yorker Columbia University Graduate School of Journalism ein Journalistik-Studium auf. Er arbeitet als freier Journalist und Autor. Seine Artikel erscheinen im ›Guardian‹, ›Observer‹, ›Independent‹ und ›Sunday Telegraph‹ ebenso wie im ›New Yorker‹ online. Sein jüngstes Buch, ›The American Way of Poverty: How the Other Half Still Lives‹ wurde von der ›New York Times‹ in die Liste der hundert wichtigsten Bücher des Jahres 2013 aufgenommen. Sasha Abramsky lebt mit seiner Familie in Kalifornien.

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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