Chip Wickham: Shamal Winds – CD-Tipp

Mit seinem Album „La Sombra“ tauchte im vergangenen Jahr der britische Jazz-Musiker Chip Wickham scheinbar aus dem Nichts auf. Tatsächlich verfügt der Saxophonist und Flötist jedoch über eine beachtliche, langjährige musikalische Vita. Als Performer und Komponist hatte er in den vergangenen 30 Jahren mit so unterschiedlichen musikalischen Größen wie The New Mastersounds, Dwight Trible und Jimpster zusammengearbeitet und munter mit Funk, Jazz und Deep House und allen möglichen Hybriden dieser Stilrichtungen experimentiert.

Für sein neues Album SHAMAL WIND schürft der umtriebige Brite jetzt in den unterschiedlichsten Minen der Jazz-Welt, vereint Modal, Spiritual, Latin und Fusion Jazz lässig zu einem edlen Stilmix, wobei er hier, anders als bei dem mit einem Quartett eingespielten „La Sombra“, überwiegend der Formation des Sextetts den Vorzug gibt. Weitere Musiker, die an diesem hervorragenden Album mitwirkten, sind Phil Wilkinson (Piano), Antonion Alvarez Pax (Schlagzeug), David Èl Indio Garcia (Perkussion), Tony Risco (Vibraphon) und nicht zu vergessen der Kontrabassist David Salvador, der Keyboarder Gabri Casanova und der Trompeter Matthew Halsall, der derzeit zu den angesagtesten Instrumentalisten der vitalen britischen Jazz-Szene zählt.

Wickhams große Begeisterung für den arabischen Kulturraum, seine jetzige Heimat, und den spirituellen Jazz verbinden sich aufs Innigste im Titelstück „Shamal Wind“, dem mit über acht Minuten längsten Stück des Albums. Verbeugungen vor Yusef Lateef, einem frühen Wegbereiter des Ethno Jazz, sind unüberhörbar, und doch bestimmt diese kontemplative und eindringliche Nummer die Sensibilität der restlichen Songs des Albums auf ihre eigene Weise.

Das moderate Funk-Stück „Snake Eyes“ kreist um einen eintaktigen Groove mit hohem Suchtfaktor und lässt dabei reichlich Raum für die expressiven Pianopassagen von Wilkinson und Wickhams Querflöte. Der Titel „Soho Strut“ beschwört mit markanter Perkussion, feinen melodischen Pianolinien und tollem Flöten- Vibraphonespiel die Atmosphäre verrauchter Londoner Jazz-Clubs der 60iger Jahre.

Beim dichten, klar strukturierten Stück „The Mirage“ brilliert Matthew Halsatt an der Trompete, wobei sich der britische Exzellenz-Musiker in diesem fein austarierten Balanceakt aus Flöte, Trompete und Vibraphon als perfekter musikalischer Kombattant erweist. Barrio 71“ ist demgegenüber eine afrokubanische Uptempo-Tanznummer im 6/8-Takt, die mit sattem Baritonsaxophon, Vibraphon und starken Piano-Ergänzungen von Phil Wilkonson vor allem DJs als Warming up für eine lange heiße Partynacht gefallen dürfte.

Das letzte Stück des Albums, „Rebel 23“, ist eine weitere Vollgas-Uptempo-Nummer, bei dem sich Gabri Casanova am Wurlitzer E-Piano als Herr der Tasten erweist.

Starke Melodiebögen, lyrische und ausdrucksstarke Soli durchdringen durchgängig das Album SHAMAL WIND, dessen Kompositionen ausschließlich aus der Feder von Chip Wickham stammen. Obwohl das Vorgängeralbum „La Sombre“ aus dem vergangenen Jahr die Kritiker bereits aufhorchen ließ, ist dem Briten mit dieser Veröffentlichung zu wünschen, dass seine Präsenz als einer der führenden Jazz-Musiker der Gegenwart gestärkt werden möge. SHAMAL WIND hat alle Aussicht, zu einem der Top-Alben des Jahres 2018 zu werden.

Standardbild
Hans Kaltwasser
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