Ben-Hur // Filmtipp

Um die wichtigste Frage zur Neuverfilmung des Romans des US-Generals Lew Wallace aus dem Jahre 1880 „Ben-Hur: Eine Erzählung aus der Zeit Christi“ vorneweg zu beantworten: Ja, das legendäre Wagenrennen ist ziemlich spektakulär in Szene gesetzt und vielleicht das Beste, was der Film überhaupt zu bieten hat. Ein Dutzend Vierspänner, die mit elektronisch verstärktem ohrenbetäubenden Lärm über die Rennbahn donnern, kollidierende und zerberstende Wagen, Körper, die von Pferdehufen blutig zerstampft und über die Rennbahn geschleift werden, brüllende Pferde, die sich aufbäumen und im hoch aufwirbelnden Staub zusammenbrechen – keine Frage, die zehnminütige Szene fängt die Grausamkeit des Spektakels um Leben und Tod und das Delirium eines im Blutrausch tobenden Mobs in computergenerierten Bildern routiniert und gekonnt ein.

Messala treibt die Pferde an. Foto Paramount
Messala treibt die Pferde an. Foto Paramount

Im Übrigen bleibt die kostspielige cineastische Neuerzählung der biblisch basierten Erlösungsgeschichte jedoch ziemlich glanzlos, wenn man sie mit dem grandiosen Monumentalfilm William Wylers aus dem Jahre 1959 vergleicht, der mit 11 Oscars preisgekrönt wurde.

Die Galeere ist völlig zerstört. Ben Hur überlebt als Einziger Foto: Paramount
Die Galeere ist völlig zerstört. Ben Hur überlebt als Einziger
Foto: Paramount

Der kasachische Regisseur Timur Bekmambetov und sein Team gehen ziemlich frei mit der literarischen Vorlage um. Nebenhandlungen, wie z.B. die Jahre, die Judah Ben-Hur als Adoptivsohn des römischen Konsuls Quintus Arrius in Rom verbringt, wurden gestrichen, die Beziehungen zwischen einzelnen Charakteren fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Messala ist hier nicht nur der Jugendfreund Judahs, sondern dessen Adoptivbruder.

Messala ist hier nicht nur der Jugendfreund Judahs, sondern dessen Adoptivbruder
Messala ist hier nicht nur der Jugendfreund Judahs, sondern dessen Adoptivbruder

Außerdem erhält Messala eine eigene Geschichte, die ihn zeigt, wie er sich als Legionär im Krieg bewährt und in der römischen Militärhierarchie zum Tribun aufsteigt. Esther (Nazanin Boniadi), im Roman Judahs Sklavin, ist hier seine Frau. Auch manch andere Details wurden verändert. Nicht ein Dachziegel, der sich versehentlich aus der Dachbrüstung der Villa der Ben-Hurs löst und auf die vorbeimarschierenden Zenturien herabstürzt, ist der Grund für Judahs Verurteilung zum Galeerensklaven, sondern ein Zelot, dem Judah in seinem Haus Zuflucht bietet und der den neuen Statthalter Pontius Pilatus mit einem Pfeilschuss zu töten versucht.

Ben Hur kämpft gegen seinen einstigen Freund Messala
Ben Hur kämpft gegen seinen einstigen Freund Messala

Schwerer als diese Veränderungen wiegt freilich die Tatsache, dass Bekmambetov die im Roman und in der Wyler-Verfilmung wichtige und subtile Gegenerzählung mit ihren Themen Rache und Vergebung ziemlich abhandengekommen ist. Hieran ändert auch die unglaubwürdige und zudem völlig verkitschte Szene am Ende des Films nichts, in der ein inzwischen schnell zum Christen konvertierter Judah die Katakomben aufsucht, um sich mit Messala zu versöhnen.

Mag sein, dass ein Publikum, das sich an opulent zelebrierte, zuvor unvorstellbar blutige Gemetzel auf der Leinwand längst gewöhnt hat, Gefallen an diesem „Ben-Hur“ findet und ihn als gut gemachtes Actionkino bei Popcorn und Cola genießt. Das Niveau seines altehrwürdigen Vorgängers aus dem Jahre 1959 erreicht er jedoch nicht, so dass die Frage erlaubt sein muss, ob es dieser Neuverfilmung überhaupt bedurft hätte.

Fotos: Paramount

Standardbild
Hans Kaltwasser
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