Ballett – Petite Messe Solennelle in Düsseldorf

Petite Messe Solennelle – eine kleine feierliche Messe nannte Rossini seine Komposition, die er fünf Jahre vor seinem Tod komponierte. Ein Alterswerk, mit dem er sich das Paradies sichern wollte. Nahm er deswegen die Auftragsarbeit für den Comte Alexis Pillet-Will (1805–1871) an, die der Comte seiner Frau Louise Pillet-Will widmete? Man ist geneigt dies zu glauben, denn Rossini spricht Gott in seiner Widmung direkt an: „Ist es wirklich heilige Musik (musique sacrée) oder doch vermaledeite Musik (sacrée musique)? Ich bin für die Opera buffa geboren. Du weißt es wohl! Ein bisschen Können, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies.“ Wir kennen die wirklich zugrundeliegende Motivation des Komponisten nicht. Der Aufbau der Messe folgt jedoch der damaligen Liturgie und ist deshalb von ihren Ausmaßen nicht klein, wohl aber die Instrumentierung und Besetzung, eine Messe für Singstimmen, zwei Klaviere und ein Harmonium.

Doch was macht diese Messe attraktiv für eine heutige Ballettinszenierung, die tänzerische Auseinandersetzung mit einem solchen Stoff? Sind es die Gegensätze, die schroffer nicht sein könnten? Dort die Kirche als Ort für eine Messe und hier der Konzertsaal für das Ballett. Eine Herausforderung für kreative Köpfe und deshalb auch für Martin Schläpfer, Direktor und Chefchoreograf des Balletts am Rhein Düsseldorf Duisburg.

Als der Premierevorhang sich gestern Abend im Konzertsaal des Ballett am Rhein in Düsseldorf öffnete, bietet sich ein Bühnenbild, das tatsächlich ein wenig an eine Kirche erinnert. Ein stilisiertes Gewölbe, eine Reihe Stühle am rechten Rand angeordnet. Florian Etti, verantwortlich für Bühne und Kostüm, hat hier das richtige Gespür entwickelt. Dann sieht man eine Frau unter den Stühlen hervorkriechen, sie streckt sich graziös und doch erkennbar malträtiert vom Schlaf auf dem kalten Boden. Das Kyrie eleison erklingt, die Frau tänzelt über die Stühle, einen Rosenkranz in der rechten Hand haltend. Sogleich wachen vier junge Männer auf, und es entfaltet sich eine Choreografie, die Ärmlichkeit und Niedergeschlagenheit aufdeckt und damit in die Kirche hineinholt, Menschen die dort Barmherzigkeit erwarten und diese doch nur untereinander finden können. Sehr ausdrucksstark und brillant getanzt.

Petite Messe Solennelle verarbeitet verschiedene Realitäten

Es sind verschiedene Realitäten, die an diesem Ort zusammentreffen, der sakral und doch vom Alltag der Menschen tief durchdrungen ist. Zu ihnen gehört auch der Priester, der immer wieder entweder inmitten des Ensembles auftritt, seine Gemeinde um sich versammelt hat und Größe zeigen muss und dennoch auch ein Mensch mit Sehnsüchten ist, die ihm die Kirche nicht erfüllen kann. Zerrissenheit und Opferbereitschaft, Freude und Vergnügen, all das spiegelt sich auf der Bühne wieder, in einer Tanzsprache, die eigens ein Alphabet hierfür hat. Aus deren Fülle bedient sich der Choreograf, mal spartanisch, dann wiederum opulentund. Gerade noch hingerissen vom klassischen Pas de deux, sieht man plötzlich ganz ungewöhnliche, tänzerische Gesten voller Poesie und auch Komik, verwirrend, berührend und bezaubernd. Immer geleitet von der Liturgie der Messe.

Dazu der exzellente Chor der Düsseldorfer Oper, der zwar nicht zu sehen, doch umso klarer und beindruckender zu hören war ebenso wie die Solisten. Und die wunderbare Musik Rossinis, die originell ist und unverkennbar seine Handschrift trägt.

Eine glanzvolle und mitreissende Inszenierung, die tief unter die Haut geht. Das sah das Premierenpublikum gestern Abend genauso, das begeistert vier Vorhänge lang applaudierte.

MUSIK „Petite Messe solennelle“

für Sopran, Alt, Tenor, Bass, zwei Klaviere, Harmonium und gemischten Chor sowie Klavierstücke aus den „Péchés de vieillesse“ von Gioacchino Rossini

CHOREOGRAPHIE Martin Schläpfer
MUSIKALISCHE LEITUNG Axel Kober
BÜHNE & KOSTÜME Florian Etti
CHORLEITUNG Gerhard
Michalski LICHT Volker Weinhart
SOPRAN Morenike Fadayomi
ALT Katarzyna Kuncio
TENOR Corby Welch
BASS Günes Gürle
KLAVIER Dagmar Thelen, Eduardo Boechat, Wolfgang Wiechert
HARMONIUM Patrick Francis Chestnut
CHOR Chor der Deutschen Oper am Rhein

Karten und weitere Informationen sind erhältlich im Opernshop Düsseldorf 0211.89 25-211, an der Theaterkasse
Duisburg 0203.283 62-100 sowie über www.ballettamrhein.de

Weitere Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf: Fr 02.06. 19.30 Uhr (Premiere) / So 04.06. 18.30 Uhr /
So 11.06. 15.00 Uhr / Sa 24.06. 19.30 Uhr / Do 06.07. 19.30 Uhr / Fr 07.07. 19.30 Uhr / Di 11.07. 19.30 Uhr /
Sa 15.07. 19.30 Uhr / Mi 22.11. 19.30 Uhr / Sa 02.12. 19.30 Uhr / Fr 16.03. 19.30 Uhr / So 08.04. 15.00 Uhr

Vorstellungen im Theater Duisburg:
Sa 14.10. 19.30 Uhr (Premiere) / Sa 21.10. 19.30 Uhr / So 12.11. 15.00 Uhr / Do 16.11. 19.30 Uhr
Gastspielvorstellung bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen: Mi 21.06. 20.00 Uhr
Fernsehausstrahlung auf 3sat: Samstag, 22.07.2017 20.15 Uhr

Alle Fotos: Gert Weigelt

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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