Anoushka Shankar verzaubert das Konzerthaus Berlin

Die Beleuchtung im prächtigen Großen Saal des Konzerthauses Berlin wird herabdimmt, als Anoushka Shankar unter großem Beifall die Bühne betritt und das zahlreich erschienene Publikum anmutig mit dem traditionellen „Namaste“-Gruß willkommen heißt, bei dem sie ihre Handinnenflächen vor der Brust zusammenlegt und den Kopf leicht nach vorne neigt. Dann lässt sie sich im Schneidersitz nieder, nimmt ihre Sitar zur Hand und stimmt das imposante Instrument mit wenigen Handgriffen.
Anoushka Shankar ist die Tochter des berühmten indischen, 2012 verstorbenen Sitar-Virtuosen und Gurus Ravi Shankar, zu dessen prominenten Schülern einst der Ex-Beatle George Harrison gehörte. Schon als Neunjährige wurde Anoushka von ihrem Vater in der Kunst unterrichtet, das schwierige indische Saiteninstrument zu spielen, das sie heute meisterhaft beherrscht.

Vor wenigen Wochen ist Anoushkas neuntes Studioalbum, „Land of Gold“ erschienen, das Elemente aus Jazz, Hip Hop, Electronica, indische Klassik und Minimal Music verbindet. Doch auf dem Programm des Konzertabends stand nicht Fusion, sondern indische Klassik zu Ehren Yehudi Menuhins, dem Ravi Shankar, wie Anoushka erläuterte, seit der Kindheit in tiefer Freundschaft verbunden war – Grundlage für eine langjährige musikalische Kollaboration, bei der sich die musikalischen Kulturen des Westens und Ostens begegneten und gegenseitig befruchteten.

Der Zauber der sechs Ragas, die Anoushka in ihrem Konzert darbietet, zieht das Berliner Publikum schon nach wenigen Takten in den Bann. Mit zarten, flinken Fingern lässt die Virtuosin ihre Sitar arpeggieren, schlägt kraftvoll die Saiten, zupft ansteigende und absteigende flirrende Tonfolgen und erzeugt bisweilen sphärische Klänge, die wie menschliche Stimmen vielfache Emotionen ausdrücken: Freude, Zweifel, Angst, Wut. Einen besonderen Höhepunkt stellt der mit viel Beifall bedachte Auftritt der moldawischen Violinistin Patricia Kopatchinskaja dar, die sich für ein Stück dem Ensemble anschließt, das Ravi Shankar 1967 für das Album „West meets East“ geschrieben und gemeinsam mit Menuhin eingespielt hatte. Das Stück begann langsam, ruhig, Violine und Sitar treten in einen von zwei weiteren Saiteninstrumenten und Tabla begleiteten Dialog, der dann im Verlauf zu einem rasanten Tempo akzeleriert.

Unterstützt wurde Anoushka Shankar von exzellenten musikalischen Mitspielern, dem Tanpura-Spieler Kenji Ota aus Japan sowie den indischen Perkussionisten Tanmoy Bose und Pirashanna Thevarajah, die mit ihren Tablas bzw. Mridangam ein wahres Trommelfeuerwerk entfalteten und bisweilen Anoushkas Sitar in einer wilden Hatz vor sich hertrieben.

Kindern berühmter Musiker fällt es bisweilen schwer, aus dem Schatten ihrer übergroßen Väter zu treten. Julian und Sean Lennon und Jacob Dylan sind nur einige wenige Beispiele. Anoushka Shankar hat sich vom Nimbus ihres genialen Vaters freilich längst emanzipiert und ist zu einer weltweit anerkannten Sitar-Virtuosin gereift, die ihre eigenen Ausdrucksformen gefunden hat. Das Berliner Publikum dankte ihr ihre große Kunst mit stehenden Ovationen und mochte sie am liebsten nicht von der Bühne lassen.

www.konzerthaus.de

http://www.anoushkashankar.com/

 

Foto: Laura Lewis

Standardbild
Hans Kaltwasser
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