Chrissie Hynde: Valve Bone Woe // CD-Tipp

Für Coversongs hatte Chrissie Hynde bekanntlich schon immer eine Vorliebe. Auf dem Debutalbum der Pretenders coverte sie „Stop Your Sobbing“ von den Kinks. Mit Bono sang sie im Duett „I Got You Babe“, einen alten Hit des US-Duos Sonny and Cher. Doch egal welches Material Hynde bearbeitete, stets war ihre musikalische DNA erkennbar.

Mit ihrem neuen, soeben erschienenen Album VALVE BONE WOE, das 14 populäre Titel aus dem amerikanischen Songbook und einige bekannte Jazzstandards neu interpretiert, entfernt sich die Frontfrau der Pretenders indessen himmelweit von New Wave. Das Album ist eine Art Jazz-Odyssee, eine Einladung zu einer Reise vom Bebop über den frühen Soul bis hin zu Easy Listening. 

Gemeinsam mit ihrem Valve Bone Woe Ensemble exploriert sie gekonnt Songs, die so verschieden sind wie „Wild is the Wind“ und „Meditation (for a Pair of Wire Cutters)“ von Charles Mingus, das sie kongenial zu einem hypnotischen dreiminütigen Stück mit toller Percussion und Kontrabass verdichtet.

Viele der Coverversionen funktionieren sehr schön. Der Opener „How Glad I Am”, der Nancy Williams 1964 einen Riesenhit bescherte, schwelgt geradezu im vollen, satten Bigband-Sound, der Hyndes rauchigen Gesang stimmungsvoll unterlegt. „Caroline, No“, ein bekannter Hit der Beach Boys, überrascht demgegenüber mit einem unverschämt entspannten Groove und einem verführerischen Bläsersatz im Intro. Hynde’s Gesang, der in der Bridge ins obere Register wechselt, ist warm und fügt sich harmonisch in das gefühlvolle Stück ein; ihre Phrasierung ist dabei einzigartig.  Und das verruchte „You don’t Know what Love Is“ von Don Rye und Gene De Paul” betört mit schnurrendem Bass und perlenden Klavierläufen.

Vor allem bei den Titeln, die man am späten Abend in entspannter Atmosphäre am besten genießen kann, klingt ihr bittersüßer Gesang berückend wie nie zuvor.

Ein kurzer Blick auf die Karriere der Sängerin sagt, warum genau dieser Stil ihr liegt. Pretenders-Songs wie „Thin Line between Love and Hate“ sind häufig reich an nächtlicher Tristesse. Jetzt mit 68 klingt Hynde sogar noch weltenmüder und melancholischer. Der Titel „Once I Loved“ von Antônio Jobim ist tieftraurig, Frank Sinatras “I’m a Fool to Want You” voller Bedauern. Der Song „Hello Young Lovers“ aus dem Broadway Hit „The King and I” bietet stattdessen gegenüber dem großartigen Original nicht viel. Und die blubbernden Dubsounds, die auf einigen Songs zu hören sind, scheinen überflüssig. Aber das sind letztlich Geschmacksfragen, die von untergeordneter Bedeutung sind.

Chrissie Hynde und ihre Produzenten Marius De Vries und Eldad Guetta haben mit VALVE BONE WOE ganze Arbeit geleistet. Chrissie-Hynde-Fans wird das tolle Album sowie so gefallen. Und Jazzfans möglicherweise auch.

Titelfoto: Jill Furmanovsky

Standardbild
Hans Kaltwasser
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